Full text: Das Altertum (Teil 1 = 5 [des Gesamtw.])

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Schluß. 
wisserei und Künstelei den einfachen Ausdruck des inneren Seelenlebens 
überwucherten; am besten gedieh noch die Idylle oder die bukolische 
Dichtung, deren erster Vertreter Theokrit aus Syrakus (längere Zeit 
in Alexandreia) war. Die Plastik endlich brachte noch manche herrliche 
Kunstwerke hervor, vieles aber auch, was nur auf äußeren Glanz und 
Effekt berechnet war, wie ja die Kunst von nun an meist im Dienste der 
neuen Fürstenhöfe stand. — Aus der Künstlerschnle in Rhodos stammten 
der sogen. Koloß von Rhodos, die eherne Kolossalstatue des Helios, welche 
105 röm. Fuß maß, aber einige Jahrzehnte nach der Vollendung durch 
ein Erdbeben zerstört wurde, ferner die von drei Künstlern gefertigte 
Laokoon-Gruppe (im Vatikan), ein meisterhaftes Werk, das freilich 
keine sittliche Idee mehr zur Anschauung bringt, wie die Niobidengruppe 
der früheren Zeit, sondern ein rein physisches Leiden; endlich die von 
zwei Brüdern gearbeitete Gruppe des saruesischen Stieres*) (in 
Neapel), ein mächtiges Werk, aber von unruhiger Bewegung. Die Kunst- 
schule zu Pergamon zeichnete sich durch Darstellungen aus, welche den 
Schlachten der Könige Attälos und Eumenes gegen die Gallier entnommen 
waren; besonders schön ist die Statue des sterbenden Galliers (jetzt auf 
dem Capitol in Rom); dazu entdeckte der Ingenieur Humann (1878) 
den großen Altar von Pergamon, auf dessen Fries der Sieg der Götter 
über die Giganten geschildert ist, eine überaus wertvolle Arbeit, welche 
das Museum zu Berlin erworben hat. Endlich gehört dieser Zeit noch 
ein Werk ersten Ranges an, der Apollo von Belvedere (so genannt 
nach einem Gemach des Vatican), neben dem Hermes des Praxiteles das 
geistreichste Bildwerk des Altertums überhaupt; es scheint den Gott in 
dem Augenblicke darzustellen, wo er den Gallierhorden mit Blitz und 
Donner entgegentritt, um sie von der Plünderung seines Tempels zu Delphi 
fernzuhalten. 
Schluß. Eine glückliche Zeit kann man das alexandrinische Zeit- 
alter trotz alles äußeren Glanzes nicht nennen; die harmonische Ausbildung 
von Geist und Körper, die einzige feste Grundlage echter Menschenbildung, 
war dem zerfahrenen Geschlechte, welches nur dem Genuß nachjagte und 
kein Streben nach höheren Zielen kannte, allmählich fremd geworden. 
Einen festen Gehalt brachte erst wieder das Christentum in die Mensch- 
heit; demselben aber den Boden vorbereitet zu haben, war doch das Ver- 
dienst der Hellenen, deren Sprache zur Weltsprache geworden war, sodaß 
*) So genannt nach Papst Paul III. aus der Familie Farnsse, unter dem das 
Kunstwerk (1546) zu Rom gefunden wurde.
	        
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