Full text: Vom Untergange des Weströmischen Reiches bis zum Westfälischen Frieden (Teil 2 = 6 [des Gesamtw.])

Götterglaube 
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dienten zunächst nur zur Losung, d. H. zur Ermittelung des Götter¬ 
willens und der Zukunft1). Aber zwei Besitztümer von großer Schönheit 
und Sinnigkeit waren den Deutschen von vornherein eigen: die Sprache 
und der Götterglaube. Die Eigentümlichkeiten der Sprache bestehen 
im Stabreim, in der Sinnbetonung, die den Ton auf die Wurzelsilbe 
wirft, im Ablaut und in dem Gesetze der Lautverschiebung^). Dichtungen 
und Gesänge^) sind uralt und durchaus an keinen bestimmten Stand 
gebunden; Skalde ist vielmehr, wer es sein will und Hörer findet4). 
[Götterglaube.] Der Götterglaube ist der allen Ariern gemein¬ 
same Lichtkult, d. i. eine Verehrung des segenspendenden Himmels¬ 
lichts, dem gegenüber die Mächte der zerstörenden Finsternis stehen 
(vergl. I, S. 15). Himmelslicht und Finsternis werden dargestellt 
durch die Äsen oder Götter (die Guten?) und durch die Riesen (Thursen, 
d. H. die Ragenden), verderbliche Kräfte der Natur, die so lange mit 
einander kämpfen, bis jene mehr und mehr die Oberhand gewinnen, 
gerade wie bei den Griechen die olympischen Götter über bie Titanen 
den Sieg bavon tragen. Auch an Mittelwesen zwischen Göttern unb 
Menschen fehlt es hier nicht; bahin gehören vor allem bie Elben unb 
Zwerge, die den Menschen bald wohl wollen, bald feindlich sind. 
Aus der Mehrheit der Götter erhebt sich aber als mächtigster Wuotan 
(altnordisch Odhinn), der Allvater unb Weltenlenker mit bem allsehenben 
Auge; seine Botinnen in der Schlacht sind die Walküren, welche die 
gefallenen Helden in bie Walhalla, b. i. bie Himmelsburg, geleiten, 
sein Himmelswagen ist ber große Bär unb sein Roß die Sturmwolke. 
Neben ihm steht sein ältester Sohn Donar (Thor), der Donnergott mit 
dem Wurfhammer von Stein, mit dem die Blitze einschlagen; er ist aber 
zugleich der schirmende Gott des Ackerbaus und aller menschlichen Kultur. 
Ein anderer Sohn Wnotans ist Ziu (Tyr5), der im Kampfe Sieg 
!) Jede Rune bedeutete einen Begriff und führte davon ihren Namen, z. B. 
Th = thurs, Riese; M = Manna, Mann. Diese Zeichen wurden in Stäbchen von 
Buchenrinde geritzt (daher Buchstabe) uud zur Erforschung der Zukunft etwa aus 
einem Helm auf ein Tuch geschüttet; beim Auflesen (daher Lesen) wurde dann 
geweissagt. 
3) Dieses Gesetz wurde vonJakobGrimm (deutsche Grammatik, Göttingen 1822) 
entdeckt. 
3) Tacitus, Germania, c. 2. 
4) Daß die (celtischen) Barden ein besonderer Sängerstand bei den Deutschen 
gewesen sei, ist eine spätere Erfindung. 
b) Von demselben Stamme wie divus; bei anderen Stämmen heißt er auch 
Er (Ares), in dem Worte Erisburg erhalten, oder Sahsnot (Schwertgenosse).
	        
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