- 134 —
§ 53. Der erste Bürgerkrieg. 88—83.
Marius und Sulla.
Die ausgedehnte Verleihung des Bürgerrechtes brachte dem rö-
mischen Staat die schlimmsten Folgen, da nun die politischen Strei-
tigkeiten in das Lager übergingen, wodurch das Militair zügellos
wurde und die Disciplin erschlaffte. Die römische Bürgerwehr, durch
Proletarier und Freigelassene vermehrt, entartete zu beutegierigen
Haufen, die der Vortheil bald zu diesem, bald zu jenem Führer trieb.
In dieser Zeit wurden auch zum ersten Male die Streitigkeiten der
bürgerlichen Parteien mit Hülse der Heere ausgesochten.
1. In Rom, wo der Parteihader fortdauerte und zu blutigen
Gewaltthaten führte, war Sulla, der im Jahre 88 als Consul den
Oberbefehl im mithridatifchen Kriege erhalten hatte, das Haupt der
Nobilität. L. Cornelius Sulla 138 geb. stammte aus altem patricifchen
Geschlechte und besaß eine feine Bildung bei gründlicher Kenntniß der
griechischen Literatur. Wegen seiner Tapferkeit und Freundlichkeit
bei den Soldaten beliebt, verbarg er andrerseits seine Pläne in ver-
schlagener Seele und war der Leidenschaft und dem Sinnengenusse
im Uebermaße ergeben. Seine Verdienste im jngurthinischen und
cimbrischen Kriege verschafften ihm die Prätut; im Bundesgenossen¬
kriege war er glücklicher als Marius, der ihn seit jener Zeit hoffte
und verfolgte. Jetzt suchte Sulla den Tribun Sulpicius, der wegen
seines Gesetzes über die Bundesgenossen den Aristokraten verhaßt ge-
worden war, durch Gewalt zu verdrängen. Sulpicius behauptete
seine Stellung als Beherrscher des Volkes, verband sich mit Marius
uud setzte den gefährlichen Antrag durch, auf diesen den Oberbefehl
im mithridatifchen Kriege zu übertragen. Als der Volksbeschluß dem
Sulla, welcher vor Nola lagerte, überbracht wurde, führte der Feld¬
herr fein Heer nach Rom, das er im Kampfe gegen Marius, der
ebenfalls ein Heer zusammengebracht hatte, eroberte. Sulla miß-
brauchte sein Uebergewicht nicht. Er ließ die Gesetze des Sulpicius
aufheben, vermehrte den Senat durch Aristokraten, welche die Demo-
kratenführer ächteten, und legte nach dem Vorbilde der alten servia-
nifchen Verfassung die politische Macht in die Hände der Besitzenden.
Nachdem er hierauf geschehen ließ, daß neben dem Optimalen Cn.
Octavius der marianisch gesinnte L. Cornelius Cinna zum
Consul erwählt wurde, den er verpflichtete, an den neuen Einrichtungen