Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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grüßt oder um den Tod des Bruders klagt oder Natur und Heimat 
besingt. 
Unter Augustus hat die Elegie ihre Hauptvertreter an Tlbull, 
Properz und Ovid. Wie Cawll, so stehen auch sie unter dem Einflüsse 
der alexandrinischen Literatur, aber während er neben dem elegischen 
Versmaße bisher nicht gebrauchte griechische Maße einführt, verwenden 
sie nur Distichen. 
Albius Tibullus, ein römischer Ritter, geb. um 54 v. Chr., 
also vielleicht im Todesjahre Catulls, starb ebenfalls in jungen Iahren, 
etwa um 19 v. Chr., nicht lange nach Vergil. Ein sanfter Charakter, 
von Liebe zum Landleben und friedlicher Einsamkeit erfüllt, schrieb er 
Elegien, die sich durch Wahrheit des Gefühls und Natürlichkeit der 
Stimmung auszeichnen. 
Kräftiger, oft derb, ist Sextus Propertius, der Sprößling 
eines umbrischen Geschlechts, der zu Rom seinem Vergnügen und der 
Poesie lebte und, nicht viel jünger als Tibull, um 15 v. Chr. stavb. 
Cr gebietet über eine kraftvolle Sprache und eine lebhafte Phantasie, 
besitzt aber nicht die natürliche Anmut, Lieblichkeit und Zartheit seines 
Vorgängers. Bei keinem Augusteischen Dichter finden sich so viele 
mythologische Anspielungen wie bei ihm. 
Von den erotischen Elegien Ovids (5. 116) mögen hier genannt 
werden die Heroides, 21 erdichtete Briefe von Frauen und Jung- 
stauen des heroischen Zeitalters an ihre Männer oder Geliebten. Aus 
des Dichters Leidenszeit stammen die Tristia und Epistulae ex Ponto. 
Jene schildern in 5 Büchern die Gefahren der Reise nach Tomis, be- 
teuern Augustus gegenüber die Unschuld Ovids und enthalten weichliche 
Klagen über das Elend seiner Verbannung, diese wiederholen in vier 
Büchern ähnliche Klagen. 
Die Einführung des Idylls in die römische Literatur erfolgt 
durch Vergil, dessen Eclogae der bukolischen Poesie Theokrits (S. 17) 
nachgebildet sind. Indessen unterscheidet sich Vergil von seinem Vor- 
bilde nicht unwesentlich. Während die Hirten Theokrits naturwahre 
Gestalten sind, fühlen und sprechen die Schäfer des römischen Dichters 
wie gebildete Männer seiner Zeit, mit deren politischen und literarischen 
Verhältnissen sie wohl vertraut sind. 
§ 8. Der 3ombus (oder die Lpode). 
Die Iambenpoesie des Archilochos von Paros (5.17) findet einen 
Nachahmer in Horaz. Wir besitzen von ihm 17 Gedichte dieser Art, 
welche größtenteils Angriffe auf einzelne Persönlichkeiten enthalten. 
Hohn und Spott sind darin um sehr vieles zahmer als bei dem leiden- 
schaftlichen Griechen; mehrere Gedichte streifen sogar den Jamben- 
charakter ganz ab, so daß der Dichter sie unter seine Carmina hätte 
aufnehmen können. Horaz hat für die kleine Sammlung die Bezeich¬ 
nung „Jamben" gewählt. Bekannter ist der von Späteren herrührende 
Name „Epoden", welcher die in fast allen Gedichten hervortretende 
Verbindung eines längeren und eines kürzeren Verses bezeichnet
	        
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