Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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Dieser bot mit seinen vor Troja geführten Heldenkämpfen, mit 
den zahlreichen abenteuerlichen Erlebnissen der heimkehrenden Helden 
den Sängern für einzelne Lieder reichen Stoff. Den Anlaß zu der 
Ausgestaltung der Sage gab der Kampf um die Burg Ilios seitens 
des Burgherrn von Mykene, eine poetische Überlieferung, der man ge¬ 
schichtliche Wahrscheinlichkeit nicht ganz absprechen möchte. Diese an 
sich vielleicht nicht sehr bedeutende Kriegstat lebte fort im Munde der 
Achaier und bildete den Kern des troischen Sagenkreises. Als dann 
später infolge der dorischen Wanderung eine neue Kolonisation durch 
Aioler, Ioner und Dorer mit ihren Kämpfen und Abenteuern eintrat, 
da verband die Volksphantasie dieselben mit der ursprünglichen Sage, 
die nun eine ebenso lebensvolle roie reiche Ausgestaltung erfuhr. So 
kam es, daß der Streit um eine kleinasiatische Burg durch einen achaischen 
König zu einem Völkerkampfe um eine große volkreiche Stadt auswuchs. 
Diesem troischen Sagenkreise entnahmen zahlreiche Sänger 
ihren Stoff für bald größere, bald kleinere Epen. 
§ 3. homeros. 
Unter diesen Dichtern ragt Homeros !) als der gewaltigste ber- 
vor. Mag auch in dem Kampfe der Meinungen, die sich seit der 
Herausgabe von Fr. A. Wolffs Untersuchung: Prolegomena ad 
Homerum sive de operum Homericorum prisca et genuina forma 
variisque mutationibus et probabili ratione emendandi (Halle 
1795) entsponnen hat, bis jetzt keine einen entschiedenen und endgül¬ 
tigen Sieg davongetragen haben, mehr und mehr bricht sich doch in 
Übereinstimmung mit Herodots Angabe, daß Homer 400 Jahre vor 
ihm, also um die Mitte des 9. Jahrhunderts gelebt habe, die Ansicht 
Bahn, daß Homer, ein hoch begabter, mit großer Gestaltungskraft 
ausgestatteter Sänger, auf der Grundlage schon vorhandener Einzel- 
lieber der Dichter der Ilias gewesen ist, die freilich im Laufe der Zeit 
einzelnen Änderungen ausgesetzt gewesen ist, namentlich durch (Bin- 
Schiebungen. 
Ob auch die Odyssee von ihm stammt, ist zweifelhaft. Die 
Ansicht einzelner alexandrinischer Gelehrten im 2. Jahrhundert v. Chr. 
(ot xü)Q%ovT£g=b\e scheidenden genannt), daß Ilias und Odyssee von 
zwei verschiedenen Meistern verfaßt seien, hat in jüngerer Zeit mehrere 
Anhänger gefunden, indem sie annehmen, die Ilias stamme von dem 
um 850 lebenden Dichter Homer, die Odyssee aber, die einen vorge¬ 
schritteneren Kulturgrad voraussetzt, von einem etwa ein Jahrhundert 
i) Bemerkenswerte Hypothesen, wie sie über die Homerische Welt, die Ilias 
und ihre Helden usw. aufgestellt werden von Gruppe („Die griechischen Kulte und 
Mythen in ihren Beziehungen zu den orientalischen Religionen", „Griechische My- 
thologie und Religionsgeschichte"), von Fritzsche („Der Anfang des Hellentums" 
in „Reue Jahrbücher für das klassische Altertum usw." 8. und 9. Heft 1904), von 
Drerup („Homer"), von Cauer („Palaestra vitae" S. 38 u. Anmkg.) und anderen 
(vergl. Christ [(Beschichte der griech. Literatur IV. 2lufl.]), gehören nicht 
in die Schule. Der Lehrer findet eine treffliche Übersicht über die Beschichte 
der Homerkritik in „Homer" von Finsler („Aus deutschen Lesebüchern VI. 
Bd., II. Abt. 1908).
	        
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