Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

— 208 — 
Mond gilt auch als der feuchte, und als der feuchte oder nährende 
erhielt meist er bereits früh weibliches Geschlecht. 
Die mannigfachen Erscheinungsformen des Mondes bringen es 
mit sich, daß die Naturvölker ihn in immer neuen Gestalten verkör- 
perten. So sind ursprünglich Mondgottheiten: l. (wahrschl.) alle 
gehörnten Gottheiten einschl. des gehörnten Siegfried der Germanen 
und der zahlreichen gehörnten Gottheiten der Babylonier und Su- 
nterier; 2. die Heilgötter, denen (z. B. Asklepios) ebenso wie den 
DiosKuren der Hahn als Attribut zukommt. Der Mondgott erweckt 
sich ja nach seinem Tode immer wieder von neuem zum Leben und 
besitzt daher auch die Kraft der Heilung- 3. die Orakelgötter. 
Der Mondgott, der in feinen 3 Hauptphasen das menschliche Leben 
gleichsam am Himmel allen sichtbar vorlebt und in seiner 3-tägigen 
Abwesenheit das Jenseits, das Leben nach dem Tode schaut, wird da^ 
durch befähigt, - wie der dunkle Mondgott Oidipus, der Löser des 
Sphinxrätsels -, die Lebens- und Welträtsel zu lösen; 4. sämtliche 
androgenen Gottheiten. Insofern nämlich beide Mondgottheiten 
- die männliche und die weibliche — wieder eins sind, ergibt sich 
der Typus der Mannweiblichkeit, aus der sich auch die weibliche 
Kleidung der männlichen Priester in dem Kult von Mondgottheiten 
erklärt; 5. alle die merkwürdigen Iwillingsbildungen, 
die doppelseitigen und paarweisen Heroengestalten, die 
Brüder- und Freundespaare, die man samt und sonders unter 
dem gemeinsamen Namen DiosKuren zusammenfassen kann, gleich¬ 
viel, ob sie im Verhältnis von Brüdern oder Schwestern oder von 
Vater und Sohn oder Mutter und Tochter oder Bruder und Schwester 
oder Vater und Tochter ober Mutter und Sohn zu einander stehend 
gedacht sind. Diese paarweisen Gottheiten gehen auf den Doppel¬ 
mond zurück, i) 
!) Darauf weisen auch die zahlreichen wappenartigen Darstellungen von 
Tierpaaren hin, wie Ziegen, Sphinxe, Greifen, Löwen -am Löwentor in Mykene-, 
ferner das Symbol der gekreuzten Pferdeköpfe, häufig nocy mit dem Bilde des 
Hahnes dazwischen, auf den Bauernhäusern im Norden Deutschlands und Europas. 
— Dioskurenpaare, also Mondgötter sind so ursprünglich die beiden unsterblichen 
Rosse des Achill in der Ilias, das „lichte" Roh Xanthos und das „scheckige" 
Balios; der „lichte" Menelaos und der als göttlicher Brunnengräber verehrte 
Agamemnon, von Aischylos mit einem weißen und schwarzen Adler verglichen; der 
„glänzende" Kastor (von der Wurzel xacf) und der dunkle „vielnetzende" Poly- 
deukes (von der Wurzel fev „netzen"); der „lichte" Dionysos und der „Licht- 
wehrer" Lykurgos; der „ziegengeftaltige" Aigyptos und der dunkle Danaos, der 
„Tod", ober dessen weibliches Korrelat Danae (mit ihrem Danaidenfaß), die Per- 
sonifikation bes feuchten, b. h. regenbrtngenben Monbes; ber Lichtgott Apoll unb 
ber von ihm besiegte Drachen Pytho, b. h. Faß (nifroe); ber „lichte" Lynkeus unb 
ber im letzten Monatsbrittel „schwellenbe" bunkte Ibas; bie (im Sinne ber Tra¬ 
giker urspr.) weisheitsvolle Löwenjungfrau Sphinx unb ber mit Ibas ibentische 
Oibipus, nach Ausweis ber Vaseninschriften eigentlich Oibipobes, also ber 
„schwellenbe Pytho". Da im (Brunbe ber lichte unb ber bunkle Monb berfelbe 
ist, so ist Jeus zugleich Herrscher in ber Ober- unb Unterwelt, zugleich Lykaios 
unb Ibaios, wie auch bie DiosKuren Kastor unb Polybeukes abwechselnb in ber 
Ober- unb Unterwelt herrschen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.