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Mond gilt auch als der feuchte, und als der feuchte oder nährende
erhielt meist er bereits früh weibliches Geschlecht.
Die mannigfachen Erscheinungsformen des Mondes bringen es
mit sich, daß die Naturvölker ihn in immer neuen Gestalten verkör-
perten. So sind ursprünglich Mondgottheiten: l. (wahrschl.) alle
gehörnten Gottheiten einschl. des gehörnten Siegfried der Germanen
und der zahlreichen gehörnten Gottheiten der Babylonier und Su-
nterier; 2. die Heilgötter, denen (z. B. Asklepios) ebenso wie den
DiosKuren der Hahn als Attribut zukommt. Der Mondgott erweckt
sich ja nach seinem Tode immer wieder von neuem zum Leben und
besitzt daher auch die Kraft der Heilung- 3. die Orakelgötter.
Der Mondgott, der in feinen 3 Hauptphasen das menschliche Leben
gleichsam am Himmel allen sichtbar vorlebt und in seiner 3-tägigen
Abwesenheit das Jenseits, das Leben nach dem Tode schaut, wird da^
durch befähigt, - wie der dunkle Mondgott Oidipus, der Löser des
Sphinxrätsels -, die Lebens- und Welträtsel zu lösen; 4. sämtliche
androgenen Gottheiten. Insofern nämlich beide Mondgottheiten
- die männliche und die weibliche — wieder eins sind, ergibt sich
der Typus der Mannweiblichkeit, aus der sich auch die weibliche
Kleidung der männlichen Priester in dem Kult von Mondgottheiten
erklärt; 5. alle die merkwürdigen Iwillingsbildungen,
die doppelseitigen und paarweisen Heroengestalten, die
Brüder- und Freundespaare, die man samt und sonders unter
dem gemeinsamen Namen DiosKuren zusammenfassen kann, gleich¬
viel, ob sie im Verhältnis von Brüdern oder Schwestern oder von
Vater und Sohn oder Mutter und Tochter oder Bruder und Schwester
oder Vater und Tochter ober Mutter und Sohn zu einander stehend
gedacht sind. Diese paarweisen Gottheiten gehen auf den Doppel¬
mond zurück, i)
!) Darauf weisen auch die zahlreichen wappenartigen Darstellungen von
Tierpaaren hin, wie Ziegen, Sphinxe, Greifen, Löwen -am Löwentor in Mykene-,
ferner das Symbol der gekreuzten Pferdeköpfe, häufig nocy mit dem Bilde des
Hahnes dazwischen, auf den Bauernhäusern im Norden Deutschlands und Europas.
— Dioskurenpaare, also Mondgötter sind so ursprünglich die beiden unsterblichen
Rosse des Achill in der Ilias, das „lichte" Roh Xanthos und das „scheckige"
Balios; der „lichte" Menelaos und der als göttlicher Brunnengräber verehrte
Agamemnon, von Aischylos mit einem weißen und schwarzen Adler verglichen; der
„glänzende" Kastor (von der Wurzel xacf) und der dunkle „vielnetzende" Poly-
deukes (von der Wurzel fev „netzen"); der „lichte" Dionysos und der „Licht-
wehrer" Lykurgos; der „ziegengeftaltige" Aigyptos und der dunkle Danaos, der
„Tod", ober dessen weibliches Korrelat Danae (mit ihrem Danaidenfaß), die Per-
sonifikation bes feuchten, b. h. regenbrtngenben Monbes; ber Lichtgott Apoll unb
ber von ihm besiegte Drachen Pytho, b. h. Faß (nifroe); ber „lichte" Lynkeus unb
ber im letzten Monatsbrittel „schwellenbe" bunkte Ibas; bie (im Sinne ber Tra¬
giker urspr.) weisheitsvolle Löwenjungfrau Sphinx unb ber mit Ibas ibentische
Oibipus, nach Ausweis ber Vaseninschriften eigentlich Oibipobes, also ber
„schwellenbe Pytho". Da im (Brunbe ber lichte unb ber bunkle Monb berfelbe
ist, so ist Jeus zugleich Herrscher in ber Ober- unb Unterwelt, zugleich Lykaios
unb Ibaios, wie auch bie DiosKuren Kastor unb Polybeukes abwechselnb in ber
Ober- unb Unterwelt herrschen.