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durch Bestechung erkauft zu sein, und mußte in dem Prozesse gegen
Ktesiphon (s. S. 53) trotz seiner glänzenden Rede xarä Krri<supßvrog
erfahren, wie tief er in der Achtung seiner Mitbürger gesunken war.
Seine empfindliche Niederlage trieb ihn fort von Athen nach Kleinasien,
mo er namentlich in Rhodos noch längere Jahre als Lehrer der Be-
redsamkeit wirkte und, ohne in die Heimat zurückgekehrt zu fem, im
Alter von 75 Iahren (314) starb.
Erhalten sind uns von Aischines nur 3 Reden (unter diesen die
beiden genannten). Reicht er bei seinem Mangel an sittlicher Tiefe an
die ergreifende Gewalt seines charaktervollen Gegners Demosthenes
auch nicht entfernt heran, so hat er vor diesem andererseits den Vorzug
eines gewandten und temperamentvollen Stegreifredners; auch sind ihm
Fülle und Klarheit der Gedanken, leichte und liebliche Anmut der Sprache
nicht abzusprechen, sodaß die Alten seine 3 Reden mit den drei Grazien
verglichen. '
Zu Homer.
§ 44. Die Zeitalter, die für die )lias und für die Odqffeia
in Betracht kommen.
Die Belagerung und Eroberung der Vurg Ilios :) findet statt um
1200, gegen Ende der mykenischen Zeit (1500-1104), in der die
Machtstellung des Pelopiden-Hauses in Mykene überwog.
Auf die mykenische Zeit folgt die Kampf- und abenteuerliche
Zeit der Wanderungen (1104-900), welche die dorische Wanderung,
sowie die damit zusammenhangende erste Kolonisation an der klein-
asiatischen Küste umfaßt. x v
Dann folgt die homerische Dichtungszeit (900 - 800), m der die
Jlias und Odysseia von einem (oder zwei) hochbegabten Dichter verfaßt
wurden (s. S. 3). In der darauf folgenden Zeit, der nachhomerischen,
haben andere Dichter durch mancherlei Um- und Zurichtungen den
überlieferten Text mehrfach verändert, herumreisende Rezitatoren
(Rhapsoden) ihn verschlechtert.
§ 45. Die Götter und die Beziehungen der Menschen zu ihnen.
Homer belebt die ganze Natur mit göttlichen Wesen, ein selb¬
ständiges Naturleben kennt er nicht; kein Quell fließt aus sich, kein
Baum wächst aus sich; jede Bewegung, die nicht auf einen Menschen
oder ein Tier zurückgeht, hat einen Gott zum Urheber.
Die Götter2) sind menschenähnliche Wesen, nur von höherer Art
und unsterblich. Sie haben einen wirklichen, von Blut durchströmten
Körper, sind also auch verwundbar; diesen Körper können sie jedoch
i) Das Topographische sieh unter: „Klassische Ruinenstätten", III.
4 Die Mythologie sieh am Schluß!