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gefährdet. Erst unter Gr 6 vy (Präsident 1879-87) und Carnot, dem
Enkel des Mitgliedes des Wohlfahrtsausschusses (Präsident 1887—94), ge¬
wann die Republik Bestand.
Die im Jahre 1873 geplante Wiederaufrichtung eines legitimistischen König-
tnms scheiterte an der Weigerung des Grafen v. Chambord, die Trikolore anzunehmen
und sich für eine verfassungsmäßige Regierung zu verbürgen. Mit seinem Tode (1883)
waren die Königlichen auf das Haus Orleans angewiesen, dessen Prmzen alsbald
aus Frankreich ausgewiesen wurden, sich aber zum Teil mit der Republik versöhnten.
Napoleon III. war schon Anfang 1873 (in Chiselhnrst) gestorben; seit dem
Tode seines Sohnes, der 1879 als englischer Offizier im Kampfe gegen die Zulu-
kaffern fiel, besitzt die bonapartistische Partei kein allgemein anerkanntes Haupt mehr.
Die Verfassung der Republik wurde 1875 dahin geregelt, daß die Gesetzgebung an
den Senat und die aus allgemeinen Wahlen gebildete Deputiertenkammer, die ausübende
Gewalt an den Präsidenten kam, der von den zur Nationalversammlnng vereinigten
Kammern auf sieben Jahre gewählt wird, („Septennat") mit dem Rechte der Wiederwahl.
Die Nachfolger Carnots, der im Juni 1894 von einem italienischen Anarchisten
ermordet wurde, warnt Casimir Perier (Sohn des S. 230 genannten Ministers),
der schon 1895 die Präsidentschaft niederlegte, dann Fanre (f 1899); seitdem Loübet.
3. Nachdem die inneren Zustände der dritten Republik zu größerer
Stetigkeit gelangt waren, bemühten sich die Staatsleiter mit Erfolg, das
verlorene Ansehen Frankreichs im Ausland wiederzugewinnen. Durch aus-
wärtige Erwerbungen (Tunis und T o n k i n g) suchte die Republik die
Verluste von 1871 und die Verdrängung aus Ägypten (durch England, vergl.
§ 46) auszugleichen. Dem von Deutschland mit Österreich und Italien ge-
schlossenen Dreibund wußte Frankreich ein Bündnis mit Rußland gegen-
überzustellen (seit dem Flottenbesuch in Kronstadt, August 1891). Durch ein
Einvernehmen mit England erlangte Frankreich freie Hand zur Anbahnung
einer Schutzherrschast über Marokko (1904).
Znr Begründnng der französischen Schntzherrschaft in Tunis gaben Reibereien
eines Grenzstammes von Algier erwünschten Anlaß (1881—82). Seitdem wurde
Biserta (westlich vom alten Karthago) zu einem Kriegshafen ersten Ranges um-
gefchaffen. Durch die Besetznng von Tunis sah sich Italien, durch bte Absichten auf
Marokko Spanien beeinträchtigt.
In Tonking setzten sich bie Franzosen seit 1883 fest; sie behaupteten bas
Laub, welches ihnen bie Chinesen streitig machten, nicht ohne verlustreiche Kämpfe.
Auch Mabagaskar, über bas bie Franzosen schon seit betit 17. Jahrhunbert
eine Schutzherrschaft ausübten, würbe 1895 völlig unterworfen. Desgleichen nahm
Frankreich an bettt Wettbewerb ber europäischen Nationen um Erwerbungen in Afrtfa
unb an ber chinesischen Küste erfolgreichen Anteil.
Die Reformen im Innern galten einmal bent Schulwesen, welches betn
Einfluß ber Kirche entzogen werben sollte, sobann namentlich ber Verbesserung ber
Heereseinrichtungen. Das französische Heer wurde (zumeist nach dem Vorbild
des preußischen) umgebilbet unb stetig vermehrt (Friebenspräsenzstärke: 570000 Mann);
bie Befestigung ber Hauptstabt unb ber Grenzen würbe verstärkt. Dte Pläne zu einem