Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

B. DieZeit des Ausgleichs zwifchenFtirtfengewalf und 
Volksiouveränität durch den Konititutionalismus: 
1789 bis zur Gegenwart. 
§ 59. Überblick. Wenn der preußische König Friedrich Wilhelm I. 
am 20. Dezember 1722 dem Generaldirektorium erklärte: „Wir sind doch 
Herr und König und können tun. was Wir wollen" und die Vorrechte 
der Stände als „alte und längst vergessene Dinge" bezeichnete, so sprach 
er damit die alle Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts beherrschende 
Anschauung von der absoluten Gewalt des Fürstentums aus, der gegen- 
über das in Stände gegliederte Volk nicht sowohl Rechte, als Pflichten 
des unbedingten Gehorsams besaß. Mochte es sich in Krieg und Frieden 
auch um des Volkes Wohlfahrt handeln, die Untertanen besaßen keine 
Möglichkeit, in Staatsangelegenheiten ihre Meinungen und Wünsche zur 
Geltung zu bringen. In England hatte die Volksvertretung die Macht in 
Händen, wie in der Republik der Niederlande. Faßte in anderen Staaten 
die Rousseausche Lehre Wurzel, daß ursprünglich nicht der Fürst, sondern das 
Volk der wahre Träger der Staatsgewalt, mindestens der gesetzgebenden, 
sei, dann mußten Reformen der seitherigen Regierungsweise eintreten, 
Reformen, welche die Macht des Staatsleiters einschränkten durch gesetzlich 
festgelegte Rechte der Staatsangehörigen, deren Standesuuterschiede bei 
gleicher politischer Beteiligung fallen mußten. Neben die bevorrechteten 
Klaffen, den Adel und die höhere Geistlichkeit, trat dann das Bürger- 
tum. Bei dieser Umwandlung des Ständestaates in den Verfassungs- Wirtschaft- 
ftaat wirkten wirtschaftliche Verhältnisse mit, deren Bedeutung wuchs, Änderungen, 
je mehr sich das Wirtschaftsgebiet ausdehnte uud je mehr an die Stelle 
der hergebrachten Herstellung von Erzeugnissen durch das Handwerk die 
Maffenanfertignng durch Maschinenbetrieb trat. Dieser steigerte sich 
schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts sehr infolge der Anwendung 
mechanischer Hilfsmittel wie z. B. der Arkwrightschen Spinnmaschine (1738) 
und nahm einen ungeheuren Aufschwung durch die Dienstbarkeit der 
Dampf kraft, später der Elektrizität. Was den Handwerken an Kräften 
entbehrlich war, das stellte sich in den Dienst der Maschine, der Fabrik. 
So entstand ein neuer Stand, der Arbeiterstand, dessen Wohl und 
Wehe von dem Fortschritt und Rückgang der Industrie abhängt, wie 
diese sich richtet nach der Nachfrage auf dem Markte, dem Handel.
	        
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