Full text: Geschichte des Altertums für Obersekunda (Teil 3)

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Römische Geschichte. 
grundbesitzes, die jedes Maß überschritt. Nachdem der größte Teil 
Italiens dem Latifundienwesen zum Opfer gefallen war, ergriff es die 
Provinzen; *) zu Neros Zeit gehörte die Hälfte der Provinz Afrika sechs 
Besitzern. So schwand in weiten Teilen des Reiches der bäuerliche Mittel- 
stand dahin; das Land verödete; die Besitzlosen drängten sich in die 
Städte, ohne doch in der Industrie ausreichende Beschäftigung zu finden, 
da diese ebenso wie der Großgrundbesitz vornehmlich Sklaven beschäftigte. 
b?Ä9 Die Folge dieser Verhältnisse war, daß mit dem Wohlstand die 
völkerung.Bevölkerungszahl zurückging. Furchtbare, wiederholt auftretende 
Seuchen wirkten in derselben Richtung; ebenso die zunehmende Ehe- 
l o s i g k e i t, die teils eine Folge der wachsenden Verarmung war, teils 
mit der Zerrüttung des Ehelebens und der Vernichtung der alten Sitte 
zusammenhing. Vergeblich versuchten wohlwollende Herrscher der Ver- 
armung der Massen, der Abnahme der Bevölkerung, der Verödung des 
Landes durch Ehegesetze, durch Koloniegründungen, Ackerverteilungen und 
Alimentationsstiftungen abzuhelfen. 
Steuerdruck. Indessen lasteten die stetig wachsenden Steuern immer schwerer 
auf der Bevölkerung, während zugleich die in kaum glaublichem Maße fort- 
schreitende Münzverschlechterung — zu Diokletians Zeit betrug 
der Silbergehalt der Silbermünzen nur 5 % — eine unerträgliche Preis¬ 
steigerung der Waren zur Folge hatte. Dem Mangel an landwirtschaft- 
lichen Arbeitern seit der Abnahme der Sklavenzufuhr suchten die großen 
Besitzer dadurch abzuhelfen, daß sie Grund und Boden an Erbpächter, 
Kolvnen.K o l o n e n, vergaben, die ihnen Abgaben leisteten. Bald wurden diese 
in die Stellung höriger, an die Scholle gebundener Leute herabgedrückt; ihre 
Lage war schlecht, und ihre Erbitterung machte sich, vornehmlich in Gallien, 
in furchtbaren Bauernkriegen Luft. 
ßS.68 § 162. Geistiges und religiöses Leben. Nicht minder groß war 
der Verfall des geistigen Lebens. Mit Augustus' Zeit hatte 
die Literatur ihren Höhepunkt überschritten, die kommende Periode heißt 
schon das silberne Zeitalter der Latinität, weil eben die Sprache ihre 
mustergültige Gestalt unter den Händen der Dichter und Schriftsteller ein- 
büßte. — Seneca (4 v. — 65 n. Chr.), in Spanien geboren, der 
Erzieher und Minister Neros, schrieb in geistreich geschliffener Sprache, 
1) Der Naturforscher Pllnius, der Verfasser der Naturalis historia, der 79 
bei dem Ausbruch des Vesuvs umlernt, sagt: Latifundia perdidere Italiam, iam vero 
et provincias.
	        
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