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Die deutsche Reformation bis zum Nürnberger Religionsfrieden. § 96. 97.
Briefwechsel, Ulrich von Hutten machte Luthers Sache zu der seinigen. Die
heftigsten literarischen Angriffe wurden eröffnet, und da man das ganze Volk
mitreißen wollte, so wurden die Streitschriften in deutscher Sprache verfaßt.
fornulwrische Sahre 1520 legte Luther in reformatorischen Abhandlungen die
Schriften. ° Hauptgedanken seiner Lehre dar. Namentlich enthüllte die Schrift „An den
christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung"
die Schäden der kirchlichen Verwaltung und deckte sich in vielen Punkten
mit den schon wiederholt erhobenen Beschwerden der deutschen Nation.
Bannbulle. Wie tief das Volk erregt war, erkannte man, als im Spätsommer
desselben Jahres Eck die päpstliche Bulle, die Luther den Bann an-
drohte, wenn er nicht widerriefe, nach Deutschland brachte und ihre Ver-
Öffentlichimg verlangte; sogar geistliche Fürsten wagten nicht, dieser Auf-
fordernng nachzukommen. Luther verbrannte die Bulle am Abend des
10. Dezembers 1520 vor dem Elstertor in Wittenberg. Mit der Ver-
hängung des Bannes hörte seine Angelegenheit auf, eine rein kirchliche zu
sein; die Bestrafung des Exkommunizierten fiel der weltlichen Obrigkeit zu.
(i?i9*i556) § 97. Karl V. (1519—1556) und der Reichstag zu Worms.
'Nach dem Tode Maximilians I. (1519) traten Karl 1.1 von Spanien,
Maximilians Enkel, und Franz I. von Frankreich als Bewerber um
die Krone auf. Da beide Ausländer waren, tauchte der Gedanke auf,
keinen von beiden zu wählen, fondern die Krone einem deutschen Fürsten
zuzuwenden; er kam aber nicht zur Ausführung. Nachdem Friedrich der
Weise von Sachsen die Wahl abgelehnt hatte, einigte man sich auf Karl.
ft°machteIt' Karl (geb. 1500 in Gent) gebot über ein Reich, wie es seit Karls
ma ' des Großen Zeiten nicht bestanden hatte, ein Reich, von dem er sagen konnte,
daß die Sonne in ihm nicht untergehe. Er war ber Erbe der habsburgischen
Lande, Spaniens mit seinen Nebenlanben unb Kolonien uub Burgunbs.
Für ihn war bas Deutsche Reich immer nur ein Teil seines Gesamtreiches;
baher beurteilte unb behanbelte er bie beutschen Angelegenheiten niemals
vom bentsch-nationalen Stanbpunkte aus, fonbern allein nach bem Interesse
seiner Gesamtmonarchie. Damit begann Deutschland vom Anslanb politisch
abhängig zn werben. — Die Kurfürsten suchten sich babnrch gegen seine
Übermacht zu sichern, baß sie ihm vor ber Wahl eine Reihe von Bebingnngen
zur Unterzeichnung vorlegten, worin er sich n. a. verpflichtete, ohne ihre
Zustimmung keinen Reichskrieg zu führen unb kein fremdes Kriegsvolk nach
Deutfchlanb zu bringen, bie Reichsämter nur mit Deutschen zu besetzen, keine
Reichstage beutscher Nation außerhalb bes Reiches zu halten und in öffent-
lichen Reichsverhandlungen und Schriften keine andre als die deutsche Sprache
anwenden zu lassen. Diese „Wahlkapitulation" wurde damals zum erstenmal
aufgestellt und ist seitdem bei allen späteren Wahlert in Gebrauch geblieben.
und Die wichtigste Frage war die, wie sich Karl zu Luther stellen würde.
u er' Er ließ die Deutschen darüber nicht lange im Zweifel. Sobald die Bann-
bulle erschienen war, ließ er sie in den Niederlanden veröffentlichen und
1 Vgl. den Stammbaum der Habsburger S. 163.