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23. Der rechte Steuermann.
1. Ein Geistlicher in einem Seestãdtchen fuhr auf einem kleinen
Schifflein vom Ufer nach der gegenũberliegenden Insel. Am Hinter-
teil des Schiffes sstand der Steuermann; vorne sahen zwei Matrosen,
s Vater und Sohn, und handhabten die Ruder. „Ihr seid heute wieder
traurig,“ sagte der Geistliche zu dem Vater. „Preilich,“ antwortete
der Matrose, „der Winter ist vor der Tür, und wie wird's werden
mit meinen fünf Kindern? Ich bin den ganzen Tag voller Sorge!“
— „Das sollt Ihr aber nicht sein; denn der Heiland sagt: Sorget
10 nichtl“ — „Den Spruch verstehe ich nimmer und nimmer; also oll
ich mich jetzt auf die faule Haut legen, von meinen paar ersparten
Groschen mir einige gute Tage machen und es darauf ankommen
lassen, ob der liebe Gott etwas beschent für Weib und Kind oder
ob sie hungern und frieren müssen
15 2. „Das nicht, aber — hollal! Was ist denn das?“ rief plõtalich
der Geistliche; „wir fahren eben durch die Klippen, und Ihr schaut
Euch nicht einmal um danach? Tut Eure Schuldigkeitl — hi
sagte der Matrose gleichgültig, „das ist Sache des Steuermanns
„Tut Eure Schuldigkeit, sage ich noch einmal, und dämmert nicht
20 s0 vor Euch hin, seht Ihr denn die Klippen nicht? Wir gohn zu
grunde, wenn Ihr's so leichtsinnig mit Lurer Arbeit nelunt.
„Schuldigkeit tun — leichtsinnig nehmen?“ erwiderle der Matrose.
„Herr, wie kommt Ihr mir vor? Arbeite ich nicht aus Leibeskrãften;
soll ich vielleicht mit steuern helfend — „FPreilich, freilich,“ sagte
25 der Geistliche, „damit es glücklich vorwäri geht.“ — „Ach, das
wãre ja eine unnütze Geschichte, Herr. Jeder tut eben das Seine,
dann wird schon alles recht werden; — der Steuermann steuert,
und ich führe das Ruder. So ist's Schiffsbrauch.“
8. „Nun, nehmt's nur nicht übel,“ erwiderte lächelnd der Geist-
80 liche; „im Reiche Gottes ist's ebenso auen Brauch. Das Arbeiten
ist Eure Sache; das tut aus Leibeokrafion und seht dabei nicht
rechts und nicht links! — Die Sorge aber, das Ihr bei Eurèr Arbel
zu grunde gehn und nicht vorwäris kommen mõchtet, die erspart
Euch und labt sie dem, der am Steuer sitzt und von dem geschrieben
35 ssteht: Alle eure Sorgen werfet aut ihn; denn er sorget für euehl“
Heiur. Caspari.
Tue das Deine; Gott tut das Seine!
24. Der alte Gott lebt noch.
1. Es war an einem Sonntagmorgen. Die Sonne schien hell und
40 warm in die Stube, linde Lüfte zogen durch die offnen Fenster, im
Freien unter dem blauen Himmel jubilierten die Vögel, und die ganze