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Der Südosten Europas. Rußland. Der pol-
nische Aufstand im Jahre 1863-
Durch den Krimkrieg und den Pariser Frieden war die
Selbstständigkeit des türkischen Reiches gerettet worden, aber
die nun beginnenden Reformversuche im Innern waren von
keinem sonderlichen Erfolge begleitet und fanden sogar bei
der alttürkischen Partei solchen Widerstand, daß sie den fort-
schreitenden Verfall mehr verhüllten als abwandten. Der
Hat Humayun vom 18. Februar 1856 sicherte zwar den
Christen rechtliche Gleichstellung mit den Türken, aber Be¬
drückungen und Verfolgungen der christlichen Bevölkerung von
Seiten der Mahomedaner tauchten, dem Willen des Sultans
zum Trotz, immer wieder auf. In Dschidda, der Hafenstadt
Mekka's am rothen Meere, brach, wie auch an manchen an-
deren Orten, der Aufruhr nicht blos gegen die christlichen
Unterthanen des Sultans, sondern überhaupt gegen die dort
wohnenden Europäer aus. Der englische und französische
Consul, wie alle Christen, deren man habhaft werden konnte,
wurden ermordet und ihre Häuser geplündert (Juni 1858),
Die Stadt ward nun zwar von einem englischen Kriegsschiffe
bombardirt und die Anstifter des Blutbades wurden Hingerich-
tet, aber das Ereigniß blieb immer ein schlimmes Zeichen von
der unter den Muselmännern fortdauernden Barbarei. Im
Mai 1860 fielen in Syrien die Drusen am Libanon über
ihre Nachbarn, tue Maroniten, her und richteten ein Blutbad
an, das mehrere Wochen dauerte, und bei dem die türkischen
Behörden ruhig zusahen. In Damaskus erlagen 6000 Christen
unter den Kugeln und Dolchen der Muselmänner; zuletzt
wurde das ganze christliche Quartier in Brand gesteckt. Zwar
wurden die Schuldigsten hingerichtet, aber die Drusenanführer
mit allzugroßer Nachsicht behandelt. Ein französisches Corps
besetzte zehn Monate lang Syrien (bis Juni 1861). Nach
Wiederherstellung der Ordnung starb Abdul-Medschid (25. Junt
1861), der gute Absichten für das Wohl seiner Unterthanen
gehegt, aber durch Ausschweifungen seine Kraft erschöpft