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Gablenz befehligt wurden. An der Spitze des Ganzen stand
der Feldzeugmeister Benedek, ein geborner Ungar und Pro-
testant, der seit dem Tage von Solserino für den ersten öst-
reichischen Feldmarschall galt, und von dem man das Höchste
erwartete. Benedek hatte sich bisher nur in untergeordneter
Stellung ausgezeichnet und niemals ein ganzes Heer befehligt;
jetzt sollte es sich entscheiden, ob er auch eine geniale und
führte Feldherrnkunst zu entwickeln vermöge, die einem so
schnellen und energischen Feinde, wie Preußen, gegenüber
durchaus nöthig war. Auch fragte es sich, ob die einzelnen
Corpsführer ihre Posten ausfüllen und dem protestantischen
Obergeneral pünktlichen Gehorsam leisten würden, was von
den Erzherzogen und Grafen nicht gerade behauptet wird.
Die preußische Streitmacht stand, bis König Wilhelm selbst
auf dem Kriegsschauplatz eintraf, nicht unter einem einzigen
Oberbefehl, sondern war in drei Armeen getheilt: die erste
unter dem Prinzen Friedrich Karl, die zweite unter dem
Kronprinzen, die dritte (die Elbarmee) unter dem General
Herwarth von Bittenfeld. Man erwartete, daß die Oestreicher
die Offensive ergreifen und, zumal im Besitz einer zahlreichen
Reiterei, aus dem böhmischen Kessel in die freie Ebene
Schlesiens und der Mark Brandenburg hervortreten würden.
Ganz Süddeutschland, die Mittelstaaten überhaupt, hatten
ihre Hoffnungen auf Oestreich und sein streitbares Heer
gerichtet, und die östreichische Presse hatte Alles aufgeboten,
um dieses Vertrauen auf den Kaiserstaat und die Stärke seines
Heeres zu erhöhen. Aber Oestreich hatte sich mit seinem
Antrage in der Bundesversammlung vom 14. Juni übereilt;
feine militärischen Vorbereitungen waren noch weit zurück,
und es fehlte der Armee noch an manchen Bedürfnissen, deren
Herbeischaffung längere Zeit erfordert hätte. Auch die mili¬
tärischen Verabredungen mit den süddeutschen Staaten nahmen
einen sehr langsamen Verlauf. Benedek sah sich daher zur
Defensive gezwungen; aber die östreichische Diplomatie schickte
pomphafte Erklärungen in die Welt, um sie über die noch
unvollendeten Rüstungen zu täuschen. Daher kam es, daß
man in Süddeutschland mit Zuversicht einen Sieg der Oest¬
reicher erwartete.