93. Die deutschen Stabte im Mittelalter. 115
errangen auch sie sich allmählich durch Vereinigung eine bessere Stellung; sie
bildeten Zünfte oder Innungen, und die Versammlung der Zunftmeister,
unter dem Vorsitz des aus ihrer Mitte gewählten Bürgermeisters, strebte immer
kräftiger und erfolgreicher nach völliger Gleichberechtigung mit den Geschlechtern.
Namentlich wenn die Städte in Fehden mit Fürsten oder Rittern verwickelt
waren und die Geschlechter der starken Arme der Handwerker nicht entbehren
Der Kölner Dom.
konnten, gewannen die letzteren einen immer größeren Anteil an Ehren und
Reichtümern; endlich ward im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert fast in
allen Städten Süddeutschlands eine oft blutige und gewaltsame Umwälzung der
Dinge durchgesetzt, wodurch die Regierung an die Zünfte kam, während sich im
Norden die Geschlechter durch das große Übergewicht der Kaufmannsgilden länger
behaupteten.
Für die Einrichtung der Zünfte waren die Rittergilden das Vorbild gewesen.
Jeder konnte in sie nur als Lehrling eintreten, dann ward er Gesell, endlich
Meister. Der Gesell mußte wandern gleich den ritterlichen Knappen; in den
fremden Städten grüßte er das Handwerk in bestimmten, althergebrachten Formeln,
aber diese verliehen ihm auch in weiter Ferne sicheren Schutz. Um Meister zu
werden, mußte der Gesell ein Meisterstück liefern; bestand es die Prüfung, so
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