Full text: Die vorchristliche Kulturwelt (Hauptteil 1)

Das kretisch-mykenische Zeitalter. 
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Ortelt (Hissarlik-Troja, Mykenä und Tiryns in Argolis, Orchomenos in Böotien, 
Jthaka ic. ic.) Nachgrabungen zu veranstalten. Seine opfermutige Tat hatte den 
Erfolg, daß nun größere Verbände von Fachgelehrten, unterstützt von Regierungen 
und reichen Privatleuten, die Ausgrabungen planmäßig fortsetzten und auch 
auf nichtgriechische Gebiete (Ägypten, Kleinasien, Mesopotamien) neuerdings 
ausdehnten. Von deutschen Gelehrten sind u. a. zu nennen D ö r v f e l d (seit 
1882) und Furtw ängler (t 1907 in Athen). i 
Das Ergebnis der Ausgrabungen bezeugt, daß schon während des 
2. Jahrtausends v. Chr. im Umkreise des Ägäischen Meeres, besonders 
auf Kreta, an der Ostküste Griechenlands sowie in der Landschaft Troas, 
eine hochentwickelte Kultur blühte. Man nennt fie gewöhnlich entweder nach 
ihrem Schauplatz die ägäische Kultur oder nach den wichtigsten Fund- 
statten (Kreta, Mykenä) die kretisch-mykenische. Ihre Träger waren auf 
Kreta, wahrscheinlich bis ins 13. Jahrh., Angehörige der vorgriechischen 
Rasse (Karer im allgemeineren Sinne; vgl. S. 23), auf dem Festlande 
dagegen etwa seit der Mitte des Jahrtausends Griechen (Achäer). Die 
Blüte jener altägäischen Kultur fällt ungefähr in die Jahrhunderte zwischen 
2000 und 1200 v. Chr. Innerhalb dieses langen Zeitraums lassen sich 
wieder zwei Entwicklungsstufen unterscheiden: Die ältere führt nach einem 
der ersten Fundorte, der Felsgrotte K a m a r e s auf Kreta, die Bezeichnung 
Kamaresperiode; die jüngere ist unter dem Namen my kenische all- 
gemein bekannt. 
a) Tie ältere (Kamares-)Periode (etwa von 2000—1600). 
An drei Stellen des ägäischen Kulturkreises, nämlich auf Kreta (Knosos, 
Phaistos), in Böotien (Orchomenos) und in der Troas (Hissarlik), haben die neuesten 
Ausgrabungen bis zur jüngeren Steinzeit zurückgeführt. Soweit die 
Funde in die Kamaresperiode gehören, verraten sie eine hochgradige Feinheit 
sowohl des «Stoffes als der Ausführung. Die leitenden1) Tonwaren tragen auf 
schwarzem oder hellgelbem Grunde prachtvolle Malereien in bunten Farben. 
b) Die jüngere (mykenische) Periode (etwa von 1600—1200). 
Viel umfassender ist unsere Kenntnis der mykenischen Periode, da wir einer- 
setts zahlreichere Funde, anderseits die vorzüglichen Schilderungen Homers 
besitzen, die wenigstens in den großen Zügen die Ergebnisse der Ausgrabungen 
trefflich ergänzen. Allerdings kann H o m e r nur als Quelle für die festlän¬ 
dischen Verhältnisse gelten, d. h. für die der achäisch-äolischen Griechen in 
der alten und neuen Heimat (Griechenland, Kleinasien); die altkretische Kultur 
ist dem Dichter unbekannt geblieben, da fie im 9. Jahrh. längst abgestorben war. 
1. Die kretischen Verhältnisse. In der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends herrschten 
auf Kreta mächtige Zeekünige, die sich in Knosos und Phaistos großartige Paläste 
bauten. Der in Knosos teilweise erhaltene, an Ausdehnung und Anlage etwa 
dem Vatikan in Rom ähnlich, hatte mehrere Stockwerke und über 100 Zimmer. 
1) Unter „leitenden" Funden versteht man solche, die für eine gewisse Zeit 
kennzeichnend sind. 
Lorenz, Lehrbuch. 5
	        
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