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Deutschland unter Königen aus verschiedenen Häusern.
I. Deutschland unter Königen aus verschiedenen
Häusern (1273-1347).
Rudolf I. von Habsburg (1273—1291).
Die überhandnehmende Unsicherheit im Reiche ließ es nach dem
Tode Richards von Cornwallis als angezeigt erscheinen, wieder einen ein-
heimischen König auf den Thron zu erheben. Auch Papst Gregor X.,
der die Machtbestrebungen des französischen Königshauses mit Besorgnis
betrachtete und überdies einen neuen Kreuzzug plante, wünschte dringend
die Wahl eines tatkräftigen Reichsoberhauptes. Anderseits wollten die
deutschen Kurfürsten^), die seit der Doppelwahl von 1257 als geschlossene
Körperschaft auftraten, keinen allzumächtigen Herrn über sich sehen, damit
sie und die anderen Fürsten in ihrer neugewonnenen Landeshoheit nicht
beeinträchtigt würden. So einigte man sich schließlich auf den 55 jährigen
Grafen R u d o l f von Habsburg, für den Erzbischos Werner von Mainz,
Herzog Ludwig der Strenge von Bayern und Burggraf Friedrich (III.)
von Nürnberg sich lebhaft bemüht hatten.
Die Habs(Habichts-)burg liegt in dem Winkel zwischen Aare und Reuß-
mündung. Rudolf, ein persönlich tapferer, leutseliger, frommer und staatskluger
Herr, war durchaus nicht der „arme Graf", als den ihn sein Gegner Ottokar von
Böhmen bezeichnete. Er besaß ausgedehnte Güter und Rechte in Südwestdeutsch-
land (Schweiz, Elsaß) und konnte von den Mpenpässen bis Kolmar reiten, ohne
sein Gebiet zu verlassen. Den Staufen — Friedrich II. war sein Pate gewesen —
hatte er bis zu deren Untergang die Treue gewahrt.
1. Äußere Politik. Rudolf täuschte sich nicht darüber, daß seine Macht-
mittel nicht hinreichten, um eine wirksame äußere Politik treiben zu können.
Deshalb vermied er jede Einmischung in die italienischen Verhältnisse
und überließ dem Papste bereitwillig alle Rechte, die dieser über Mittel-
und Süditalien beanspruchte; nur den versprochenen Kreuzzug konnte
Rudolf nicht unternehmen. Ebensowenig vermochte er Burgund wieder
ans Reich zu bringen und den Außenhandel der norddeutschen Städte
zu schützen; letztere mußten sich vielmehr selbst helfen und taten dies durch
Bündnisse, aus denen sich allmählich die Hansa entwickelte.
2. Die Begründung der habsburgischeu Hausmacht in den Donau-
und Ostalpenländern. Beim Aussterben der Babenberger (1246) hatte
Kaiser Friedrich II. Osterreich und Steiermark als erledigte Reichslehen
eingezogen. Nach dem Tode des Kaisers bemächtigte sich dann König
O t t o k a r II. von Böhmen-Mähren dieser Länder. Da Ottokar später
auch Kärnten und Krain erbte, konnte er im Osten Deutschlands ein mäch-
i) Zu den „Kurfürsten" zählten (laut Sachsenspiegel) die Erzbischöfe von Mainz,
Köln und Trier, ferner der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Mark¬
graf von Brandenburg. Eine weitere (siebente) Kurstimme war strittig zwischen Bayern
und Böhmen.