Die Germanen.
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Völkerflut drückte nach rückwärts und suchte nun einen Ausweg nach Osten
und Südosten. Ein Beispiel hierfür ist u. a. die Wandemng der Marko-
mannen unter ihrem Heerkönig M a r b o d nach Böhmen, das
bisher von den keltischen Bojern besetzt war.
2. Die Angriffskriege der Römer gegen die Germanen. Kaiser
Augustus suchte die Nordgrenze des Römerreiches bis zur Donau
vorzuschieben. Nachdem er selbst (noch als Triumvir) Dalmatien und das
südliche Pannonien unterworfen hatte, eroberten seine Stiefsöhne D r u s u s
und T i b e r i u s Rätien (mit Vindelicien), Noricum und das nördliche
Pannonien. Damit war im allgemeinen die Donaugrenze gegen die Ger-
manen erreicht. Jetzt entschloß sich Augustus zu einem Versuch, das Land
zwischen Rhein, Elbe und Donau ebenfalls zu gewinnen, um den bestän-
digen Einfällen der Germanen in das linksrheinische Gebiet ein Ende zu
machen. Selbst dies schien seinen Stiefsöhnen zu gelingen. Schon begann
Tiberius, Germanien allmählich als Provinz einzurichten; gleich-
zeitig plante er einen Doppelangriff auf Böhmen (von der Main-
gegend und aus Pannonien her; vgl. Erster Hauptteil S. 230). Die Ge-
fahr für das Germanentum war groß. Aber die Freiheitsliebe unserer
Vorfahren und ein Fehler des Augustus bewirkten eine plötzliche
Wendung.
Da Tiberius sich persönlich nach Pannonien begeben hatte, um von
dort aus den Angriff auf Böhmen vorzubereiten, schickte der Kaiser den
bisherigen Statthalter von Syrien, Quintilius V a r u s, nach Germanien.
Dieser glaubte die stolzen Germanen ebenso behandeln zu dürfen wie die
knechtisch gesinnten Syrer. Er legte ihnen einen regelmäßigen Tribut auf
und wollte die strenge römische Gerichtsbarkeit (mit „Ruten und Beilen")
einführen. Die allgemeine Erbitterung hierüber brachte nun mehrere
benachbarte Stämme, einen Teil der Cherusker (zwischen Ems und Aller),
die Chatten (an der Fulda und Werra), die Brukterer (zwischen Ems und
Lippe), die Marser (zwischen Lippe und Ruhr) u. a. zu einem geheimen
Bunde zusammen. An die Spitze trat einer der Cheruskerfürsten, Armin
(Hermann); er war, wie später sein Bruder Flavus, in römischen Diensten
gestanden und bis zur Ritterwürde emporgestiegen, kannte also die
römische Kriegs- und Fechtweise genau. Vergebens warnte der römer-
freundliche Cheruskerfürst Segestes, dessen Tochter Thusnelda Armin
entführt und gegen den Willen ihres Vaters geheiratet hatte, den römi-
schen Statthalter.
Da kam die Nachricht, daß durch einen schweren Aufstand in Pannonien
der Angriff des Tiberius auf Böhmen vereitelt worden sei. Sofort be-
schlössen die Verbündeten, den günstigen Zeitpunkt zu benutzen. Wahr-
scheinlich auf Verabredung erhob sich eine entferntere Völkerschaft und
Lorenz, Geschichte für Gymnasien II. 2