Full text: Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Hauptteil 2)

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Die Zeit der sächsischen Kaiser. 
Otto III. (983—1002). 
1. Die vormundschaftliche Regierung. Für den minderjährigen König 
1991 führte zunächst dessen Mutter Theophano, dann nach deren Tode 
die Großmutter A d e l h e i d die Regentschaft. Beide Kaiserinnen wurden 
durch den treuen und tatkräftigen Erzbischof Willegis von Mainz 
trefflich beraten. Heinrich der Zänker, der als nächster männlicher 
Verwandter Anspruch auf die Vormundschaft, dann sogar auf die Krone 
gemacht hatte, mußte sich fügen und erhielt als Entschädigung das Herzogtum 
985 Bayern zurück, dessen bisheriger Inhabers Heinrich (III.), der oben genannte 
„Hezilo", sich mit Kärnten begnügte. 
Theophano sowohl als Adelheid ließen dem reichbegabten jungen König 
eine sorgfältige wissenschaftliche Ausbildung zuteil werden, so u. a. durch den 
Sachsen Bernward, den nachmaligen Bischof von Hildesheim. Später 
berief Otto selbst den gelehrten Franzosen G e r b e r t (in der Folge Erzbischof 
von Reims, dann von Ravenna, schließlich Papst) an seine Seite. Im Verkehr 
mit diesen Männern eignete er sich nun ein so umfassendes Wissen an, daß man 
ihn staunend das „Wunder der Welt" nannte. Doch geriet er gerade dadurch 
mit der großen Masse seines Volkes, das für die griechisch-römische Gelehrsamkeit 
noch wenig Verständnis besaß, in einen Zwiespalt. Auch der Charakter des jungen 
Fürsten zeigte sich sehr widerspruchsvoll. Anwandlungen von übertriebenem 
Selbstgefühl und phantastischem Hochmut wechselten mit solchen von tiefer Demut 
und fassungsloser Zerknirschung. 
2. Ottos in. Selbstregierung. Mit 15 Jahren mündig gesprochen, 
zog Otto nach Italien, setzte in der Person seines Verwandten Bruno, 
der sich Gregor V. nannte, den ersten Papst deutscher Abstammung ein 
996 und empfing von ihm die Kaiserkrone. Als Gregor V. schon im nächsten 
Jahre durch den „Patrizius" von Rom, Johann Crescentius, ver-- 
998 trieben wurde, unternahm der Kaiser einen zweiten Römerzug, ließ den 
Crescentius hinrichten und berief nach Gregors V. Tod (| 999) feinen bis¬ 
herigen Lehrer Gerbert als Silvester II. auf den päpstlichen Stuhl. Nach 
Deutschland zurückgekehrt, wallfahrtete Otto zum Grabe des von ihm 
schwärmerisch verehrten Bischofs Adalbert von Prag, der als Missionar 
bei den heidnischen Preußen seinen Tod gefunden hatte und dann in Gnesen 
beigesetzt worden war. Bei dieser Gelegenheit erhob er das bisher vom 
1000 Erzstift Magdeburg abhängige Bistum Gnesen zum selbständigen Erz. 
bistum und bereitete durch die kirchliche Trennung Polens von Deutschland 
auch die staatliche vor. Das gleiche geschah in Ungarn, wo mit Ottos Zu-- 
1000 stimmung das Erzbistum Gran errichtet und von Salzburg losgelöst wurde. 
Schon bei seiner zweiten Heerfahrt über die Alpen hatte Otto unter 
dem Einflüsse des Papstes Silvester den Plan gefaßt, den Regierungssitz 
!) Nach dem Tode Ottos von Schwaben (f 982) hatte Hezilo das Herzogtum Bayern 
innegehabt (983—985).
	        
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