XII Übersichtliche Darstellung der französischen Geschichte.
nunmehr das Hausmaieramt für das gesamte Frankenreich in seiner
kräftigen Hand vereinigte. Seine Nachfolger, Karl, genannt der Hammer
(Martel), und dessen Sohn Pipin der Kleine, erwarben sich die gröfsten
Verdienste um das Reich, jener durch den Sieg über die Mauren, welche
er in der blutigen Schlacht bei Poitiers zurückwarf, dieser durch sieg¬
reiche Bekämpfung der Friesen und Sachsen, welche die Nordgrenze fort¬
während beunruhigten. Gestützt auf seine Verdienste wagte Pipin der
Kleine den letzten Schritt: zu Soissons, wo der erste Merowinger seine
Herrschaft begründet hatte, liefs er im J. 752 den schwachen Childerich
der königlichen Würde entkleiden und sich selbst als König auf den
Schild erheben.
Karolinger 752—987.
Seine Nachfolger, nach dem Tüchtigsten unter ihnen Karolinger
genannt, regierten 235 Jahre über das Reich. Karl der Grofse erwei¬
terte durch fast ununterbrochene Kriege die Grenzen desselben nach
allen Seiten, im Norden bis zur Eider, im Osten bis zur Raab, in Ita¬
lien bis zum Tiber und in Spanien bis zum Ebro. Das Römerreich
schien wieder aufzuleben, wenn auch der Schwerpunkt nach Norden ver¬
legt war; und im J. 800 wurde das Haupt des gewaltigen Herrschers
auch mit der Krone der römischen Imperatoren geschmückt. Aber auch
au die römische Bildung, welche durch die Stürme der Völkerwanderung,
durch die blutigen Kriege der Merowinger und die Einfälle der Hunnen
und Mauren zum grofsen Teil vernichtet war, suchte Karl wieder anzu¬
knüpfen; und wie er selbst für seine Person bemüht war, trotz seines
Alters zu lernen, so suchte er in dem ganzen Gebiet seines Reiches
christlich-germanische Bildung zu verbreiten. Allein was ihm selbst nur
mit Mühe gelang, das grofse Reich nach aufsen wirksam zu schützen
und im Innern zusammenzuhalten, das vermochten seine Nachfolger, von
denen keiner mehr die bisherige Thatkraft des Geschlechtes besafs, noch
viel weniger.
In der That war es bei den mangelhaften Verkehrsmitteln der
damaligen Zeit unmöglich, ein so grofses Reich von einem Mittelpunkt
aus zu beherrschen; dazu kam, dafs nach Karls Tode der alte Groll
zwischen den verschiedenen Nationalitäten, besonders Germanen und
Romanen, mächtig wieder auflebte. Endlich führte der Zwist seiner
Enkel die Trennung herbei, zu der die Verhältnisse hindrängten. Durch
die Teilung zu Verdun (843) gelangten die Länder Deutschland, Frank¬
reich und Italien wieder zu einer gesonderten politischen Existenz.
Aber bei der Schwäche der französischen Karolinger ging die Trennung
nach Nationalitäten in Frankreich noch weiter. Die Bewohner des
Südens, deren Sprache, die langue d'oc, sich von derjenigen der Nord-
franzosen, der langue d'o'il, erheblich unterschied, wählten sich eigene
Könige; so entstanden (879 und 888) die beiden burgundischen König¬
reiche im Rhonegebiet, welche, im J. 930 zu einem Reiche vereinigt,
durch Erbschaft an den deutschen Kaiser Konrad II. fielen. Ebenso
wenig wurde der König, der in Paris residierte, von den Bewohnern des
Garonnegebiets und den bretonischen Ansiedlern auf der Halbinsel Ar-
morica im Westen anerkannt. Und im Osten wurde Lothringen, der
Überrest von Lothars Anteil bei der Teilung zu Verdun, mit seiner
überwiegend germanischen Bevölkerung durch Heinrich den Pinkler ein
deutsches Reichslehen. . ,
Aber auch in dem beschränkten Gebiet, welches unter der