Torwort.
Indem der Unterzeichnete die vorliegende zweite Abteilung
des Grundrisses, welche nicht als Bearbeitung, sondern im
wesentlichen als selbständige Darstellung zu bezeichnen ist, der
Oeffentlichkeit übergibt, bezieht er sich hinsichtlich der beob¬
achteten Grundsätze auf das im Vorwort zum ersten und dritten
Teil bemerkte. Nur sei nochmals betont, dass der Grundriss
nicht als ein für das Examenbedürfnis des Schülers zugeschnit¬
tenes Hülfsmittel gelten will, mithin keineswegs alles was er
bietet als Lernstoff in strengerem Sinne anzusehen ist. Das
Buch soll vielmehr dem mannichfachen und wechselnden Be¬
dürfnis des Unterrichts entgegenkommen, indem es eine selb¬
ständige Benutzung des Schülers gestattet und dadurch den
Lehrer in den Stand setzt einen heilsamen Wechsel zwischen
skizzierender und ausführender Behandlung einzuhalten.
Das mittelalterliche Staatswesen wird beim Unterricht meist
karg behandelt. Ich habe mich bemüht über Entstehung
und Ausbildung des Lehnstaates wissenschaftlich zuverlässiges
in knapper, doch gemeinverständlicher Form zu bieten; ein
tüchtiger Primaner wird es allenfalls auch ohne Commentar
verstehen können. Wem dies unwichtig erscheint, der über¬
gehe es. Nach meiner Ueberzeugung lässt sich das Mittelalter
ohne eine Anschauung von diesen Dingen ebensowenig ver¬
stehen wie das Griechen- und Römertum ohne Kenntnis des
griechischen und römischen Staatswesens.
Noch eine allgemeine Bemerkung mag hier Platz finden.
Die moderne Naturwissenschaft stellt in unseren Tagen von
hervorragender Seite die Forderung auf an Stelle der 'bürger¬
lichen1 die 'naturwissenschaftliche’ Geschichte, an Stelle der
'anthropocentrischen’ Behandlung die 'archimedischePerspective’
zu setzen. Dem kann weder Schule noch Wissenschaft nach-