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cher Jüngling, wurde von seiner Stiefmutter Phadra verleum¬ 
det; Theseus glaubte am Ende den Einflüsterungen seiner bösen 
Frau, sprach den schrecklichsten Fluch gegen den eignen Sohn 
aus, und bat den Neptun, ihn zu verwirklichen; denn dieser 
Gott hatte einst versprochen, ihm einen Wunsch zu gewahren. 
Als nun einst Hippolyt am Ufer Zes Meeres hinfuhr, erbrau¬ 
sten die Wogen; ein schreckliches Ungethüm tauchte auf, und 
stürzte auf das Gestade los. Die Pferde wurden scheu, rissen 
den Wagen eilenden Laufes mit sich fort, und Hippolyt, dem 
der Zügel entfiel, wurde an den Spitzen eines Felsens zerschmet¬ 
tert. Phädra aber klagte sich, als sie das Schicksal des edeln 
Jünglings erfuhr, als Urheberin an, entdeckte dem Theseus 
seine Unschuld, und erhenkte sich aus Verzweiflung; eine schreck¬ 
lich? Strafe boshafter Verleumdung. 
11. Amphion, Niobe, Oedipus. 
In der Stadt des Kadmos, Theben, herrschte noch immer 
sein Geschlecht. Einer seine Nachfolger war Amphion (y—v), 
von dem die Dichter erzählen, er habe so schöne Töne der Lyra 
entlockt, daß nicht nur die wilden Thiere seinen Melodien horch¬ 
ten, sondern selbst Baume und Felsen sich regten, und die 
Steine sich von selbst zu Mauern verbanden, mit denen er 
Theben umgeben wollte. Wer verkennt in diesen übertriebenen 
Vorstellungen den schönen Gedanken, daß die Töne der Musik 
einen hinreißenden Eindruck auf das rohe, aber unverdorbene 
Gemüth der Naturmenschen machen! 
Noch ist seine Frau, Niobe, die Tochter des Tantalos, 
ihres großen Unglücks wegen bekannt. Sie hatte dem Amphion 
sieben Söhne und sieben Töchter geboren. Eine zahlreiche Fa¬ 
milie zu haben galt damals, wie noch jetzt bei manchen Völ¬ 
kern, für eine große Ehre, so wie unausbleibliche Schande die 
traf, deren Ehe kinderlos war. Niobe fühlte sich daher so 
glücklich im Besitze ihrer aufblühenden Kinder, daß sie hinge¬ 
gen die Lato na verachtete, die Mutter des Apolls und der 
Diana, weil sie nur zwei Kinder habe. Latona beschwerte sich 
bei ihren Kindern; denn eine der Eitelkeit zugefügte Beleidi¬ 
gung zu vergeben, ist die Sache nur weniger, besonders edel- 
müthiger Frauen. Die beiden göttlichen Kinder beschlossen also
	        
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