Full text: [Teil 2 = 3. u. 4. Schulj] (Teil 2 = 3. u. 4. Schulj)

338 C? Q Q Q Q Kaiser Wilhelm unter seinen Soldaten. QQQQQQQ 
Einer nach dem andern fällt mit kräftiger Stimme ein, und feierlich 
erschallt der Lobgesang durch die Kirche in die stille Nacht hinaus. 
Und durch aller Herzen hindurch klingt es: Lob, Ehr’ und Preis 
sei Gott! 
Gedenkblätter aus dem Heldenkampfe Deutschlands Richard Lauxmann. 
mit Frankreich 1870—1871. 
199. Kaiser Wilhelm unter seinen Soldaten. 
Während der Belagerung von Paris ritt der König Wilhelm eines 
Tages hinaus zu den Vorposten. Bald gewahrte er einen Füsilier, 
der das Gewehr bei Fuß genommen hatte und ganz vertieft war in 
einen Brief. Äls der Pflichtvergessene die Tritte des Rosses hörte 
und seinen Oberfeldherrn erkannte, ließ er vor Schreck den Brief 
fallen, nahm das Gewehr auf und präsentierte. Der König ritt an 
den Posten heran und fragte lächelnd: „Nun, mein Sohn, der Brief 
dort ist gewiß von der Liebsten aus der Heimat!“ — „Nein,“ ant¬ 
wortete der erschrockene Soldat, „er ist von meiner Mutter.“ König 
Wilhelm mochte an der Wahrheit dieser Worte zweifeln; denn 
forschend sah er dem Soldaten in die Äugen und fragte: „Darf 
ich ihn lesen?“ „Gewiß!“ erwiderte der Soldat, hob schnell den 
Brief auf und reichte ihn seinem Kriegsherrn. Der König las den 
Brief, betrachtete dann mit Wohlgefallen den Füsilier und sagte zu 
seinem Adjutanten, er solle den Namen des Soldaten notieren. 
Dann ritt er weiter. Der Brief war wirklich von der Mutter des 
Füsiliers gewesen. Diese hatte ihrem Sohne geschrieben, daß seine 
Schwester bald Hochzeit mache, und alle bedauerten, daß er bei der 
Feier nicht anwesend sein könne, und doch hätten sie große Sehn¬ 
sucht nach ihm. 
Am andern Tage erhielt der Füsilier Befehl, zum Hauptmanne 
zu kommen. Es wurde ihm bange ums Herz; denn er dachte, 
nun geht’s los wegen deiner gestrigen Pflichtvergessenheit; du be¬ 
kommst sicher acht Tage Arrest. Wie erstaunte er aber, als der 
Hauptmann ihm eröffnete, daß er auf Befehl des Königs vierzehn 
Tage Urlaub habe, um zur Hochzeit seiner Schwester reisen zu 
können, und daß ihm freie Hin- und Rückfahrt gewährt sei. 
So hatte der edle König die Angst des Soldaten in Freude
	        
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