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Er entsprach auch der Erwartung vollkommen. Mit
der Einsicht eines großen Feldherrn, der selbst seinem
Muthe zu gebiethen weiß, wo derselbe gefährlich würde,
besiegte er die Gothen, ohne eine verderbliche Schlacht
zu wagen, durch kluges Zaudern, durch Stellungen,
Verschanzungen, Marsche, und geschickte Benutzung aller
Fehler eines barbarischen Feindes. Er beförderte die Un¬
einigkeit der Gothen, schwächte einen Tbeil durch den
andern, und gab dem Ueberreste nach einem vierjährigen
Kriege einen billigen Frieden (882). Der größte Theil
der Nation erhielt Wohnsitze im Römischen Gebiethe, wo
sie zwar als Unterthanen des Kaisers, aber doch nach
eigener Sitte leben sollten; und aus ihrer Mitte wurde
ein Heer von 40,000 Mann, unter dem Nahmen der
Verbündeten zum beständigen Dienste des morgen-
ländischen Reiches gebildet *).
Anch die innere Verwaltung des T h e 0 d 0 si u s war
kraftvoll und weise. Besonders zeichnete er sich aus durch
seinen religiösen Eifer, wodurch er vollendete, was Con¬
sta nt in begonnen hatte. Schon im Jahre 3 80, bald
nach empfangener Taufe, erklärte er in einem berühmten
Gesetze seinen Willen: „daß alle vdn ihm beherrschte Völ¬
ker der Religion seyn sollen, die der Apostel Petrus den
Römern hinterlassen habe, zu welcher sich auch dessen
*) „Als der Gothe Athanarich, Fritigers Nachfolger, bey
Heerden und Waffen erzogen, zu Constantinopel einen
Hof, Pallaste, Kriegsschiffe, regelmäßige Heere sah, ge-
rieth er in Erstaunen, und rief aus: „Ja, wahrlich, es
muß ein Gott seyn, der hier regiert; alle diese Menschen
haben ja nur Eine Seele!" Der Gothische Fürst starb
in dieser Hauptstadt; und so sehr hatte Theodosius
die Gothen mit Bewunderung seiner Einsicht und Gerech¬
tigkeit erfüllt, daß sie ihm nun sagen ließen: Sie seyeu
entschlossen, so lange Er lebe, keinen andern Fürsten zu
haben." Joh. v. Müll er.