Full text: Übersichten zur preussisch-deutschen Geschichte

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E. Die Auffassung vom Staate. Durchführung des Sittlichkeitsgesetzes, 
Bethätigung echter Humanität ist Zweck des Staates. Das Einzelinter¬ 
esse mufs sich dem der Gesamtheit fügen, aber möglichst unbeschränkte 
Freiheit des Einzelnen soll herrschen.1) Für die Bedeutung der Natio¬ 
nalität war so kein Raum. 
§ 107. Theoretische Auffassung und philosophische Begründung 
der königlichen Würde (namentlich im Antimacchiaveil, dem 
„subjektiven Bekenntnis des edelsten fürstlichen Ehrgeizes", 
der „Urkunde einer reinen sittlichen Berufsauffassung“). 
A. Ursprung der Monarchie ist herzuleiten aus dem Naturrecht: 
Das Volk setzt sich Fürsten, um die Gesetze aufrecht zu er¬ 
halten, das Gebiet zu verteidigen, „übrigens fordern wir Ach¬ 
tung für unsere Freiheit“. Der König hat sich zu betrachten 
als „premier domestique de l’etat“. 
B. Zweck des Staates ist die Wohlfahrt aller. Die Macht ist nicht 
Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. „Alles für das Volk.“ 
Der König soll stets bedenken, was die Unterthanen zu seinen 
Gesetzen sagen — ein volkstümlicher Verfassungsstaat ist 
berechtigt. 
C. Pflicht der Verantwortlichkeit der Fürsten ist anzuerkennen, 
aber kein Recht der Unterthanen Verantwortung zu fordern 
oder den Fürsten abzusetzen. 
§ 108. Praktische Durchführung der Grundsätze. 
A. Das überlieferte System wird in bezug auf die Grundlagen der 
Staatsverwaltung und Heeresverfassung beibehalten. 
I. Die Rechte der Staatsgewalt und die Regierungs- 
foi'm^bleihenungeändert. „Nichts durch das Volk.“ Un¬ 
bedingte Wahrung der dem Staatsoberhaupt zustehenden 
Vollgewalt und Unumschränktheit. Die Landtage sind in 
Schlesien und Westpreufsen förmlich aufgehoben, können 
sonst aber die monarchische Gesetzgebung nicht aufhalten.3) 
1) Aus dem ganz unpolitischen Bürgerstande hervorgegangen konnte die neue 
Bildung den Staat nicht verstehen, am wenigsten den preußischen, und fafste in 
erster Linie den Menschen als Einzelwesen auf, nicht in seinen Beziehungen zum 
Staate. 
2) Zu den vier Provinzialministern (§ 77 C. I. Anm.) kamen vier Fach¬ 
minister für Handel und Gewerbe, Heeresverwaltung, Bergwerke und Hütten, 
Forsten; ihr Wirkungskreis umfafste den ganzen Staat. Schlesien erhielt ein be¬ 
sonderes Ministerium. — Die Kabinettsräte, die schon unter Friedrich Wilhelm I 
keine unmittelbare Einwirkung auf die Behörden hatten, betrachtete der König 
nur als untergeordnete Beamte. 
3) Die Landtagsausschüsse haben Verteilung einiger Steuern und Verwaltung 
des landschaftlichen Schuldenwesens.
	        
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