1. Quellen der Geschichte.
Alles, woraus wir Kenntnisse geschichtlicher Tatsachen schöpfen können, nennen
wir Geschichtsquelle. Zunächst unterscheiden wir ungeschriebene und geschriebene
Quellen.
Die Römerstraßen, deren Reste unsre Gaue durchziehen, zeigen, daß die Römer
ihre Städte und Standquartiere durch Heerstraßen verbanden; aus deren Bauart
ersehen wir, daß dieses praktisch veranlagte Volk durch eine tiefe, feste Steinschicht
eine sichere Unterlage schuf, die dem Oberbau für Jahrhunderte Dauerhaftigkeit
verlieh.
Die Porta nigra, die Reste des Kaiserpalastes, des Amphitheaters, der Wasser-
leitung, der Bäder zu Trier lehren uns römischen Hochbau kennen.
Der Mosaikboden zu Nennig bei Trier gibt nicht nur Aufschluß über die Kunst-
fertigkeit der Römer in der Anfertigung kleiner Steingemälde aus unzähligen Steinchen,
sondern auch über die Art der Tierkämpfe zur römischen Kaiserzeit. Die offengelegten
Fundamente der dortigen Villa beweisen, daß die Römer die Zentralwärme-
leitung gekannt haben.
Ähnliche Reste finden sich in allen Gegenden, in denen sie für längere Zeit festen
Fuß gefaßt hatten.
Die Trümmer der Kastelle zeigen, wie ein erobertes Land durch Soldatenstand-
quartiere militärisch gesichert und ein unterworfenes Volk im Zaume gehalten wurde.
Die Anlage der mittelalterlichen Burgen, die von Mauern und. Wassergräben
umgeben und durch Zugbrücken abschließbar waren, und die Umgürtung der Städte
mit festen Mauern deuten auf eine ganz andre Art der Kriegführung hin, als die heutige
ist; desgleichen bekunden die Waffensammlungen aus alter Zeit, daß die Kriege
durch Nahkämpfe, Mann gegen Mann, ansgefochten wurden, und wir schließen
daraus, daß die persönliche Tapferkeit ausschlaggebend war.
Die ägyptischen Pyramiden und die großen Bauwerke der Euphrat- und
Tigrisländer liefern zunächst ein Urteil über die Bauart jener Völker und über ihre
Anschauungen; dann dürfen wir daraus auch folgern, daß jene Riesenbauten unter¬
nommen wurden, um die anwachsende Bevölkerung in Tätigkeit zu halten, sie vor
Hunger, Müßiggang und Auflehnung gegen die staatliche Ordnung zu bewahren.
Die Auffindung einbalsamierter Tierleichen in ägyptischen Felsengräbern legt
den Schluß nahe, daß die Ägypter des Altertums die betreffenden Tiere als irgend-
einer Gottheit geweiht verehrten.
Die Ausgrabungen, die Prof. Lehmann-Haupt in Assyrien im Auftrage der
Deutschen Orientgesellschaft und mit Unterstützung Kaiser Wilhelms II. veranstaltet
hat, haben ergeben, daß die lange für eine sagenhafte Gestalt gehaltene Königin
Semiramis wirklich gelebt und regiert hat, zwar nicht als erste Königin des Assyrischen
Reiches, sondern ungefähr 800 Jahre nach dessen Gründung.
Bei Ausgrabungen in Mexiko sind chinesische Götterbilder und andre Gegenstände
chinesischer Arbeit in so großer Menge gefunden worden, daß daraus eine chinesische
Einwandrnng gefolgert werden muß. Eine im Kaiserlichen Archiv zu Peking ge-
fundene Urkunde aus dem Jahre 502 n. Chr. bestätigt, daß ein Jahrtausend vor den
spanischen Entdeckern dieser Teil Amerikas von China aus besucht und besiedelt
worden ist1.
1 Kolonie und Heimat, Jahrg. 1910, Nr. 10, S. 14.
Quellenbuch. 1