Full text: Bilder aus den deutschen Alpen, dem Alpenvorlande und aus Oberbayern (Bd. 1)

194 Das Algäu. 
Tie Algäuer lieben es, ihre Wohnhäuser bis ans Dach hinauf roth zu 
bemalen und mit weißem uud grünem Zierrath zu versehen. Bleibt das Hans 
selber nnbemalt, so prangen doch Fensterrahmen und Fensterläden, Thüren 
und Vordächer in kräftigem Roth. Seitwärts ans Hans angeflickt, reicht der 
„Schupf" oder „Schopf" bis zur Vorderseite, bleibt hier offen und bildet mit 
seinen Bänken und beweglichen Falltischen eine Art offener Wohnstube, iu 
welcher Frauen arbeiten uud Kinder spieleu. 
Tie Wohnstube ist hell uud geräumig, hat uie mehr und nie weniger als 
vier Fenster und ist meistens getäfelt. Zwischen der Stnbenthür und dem 
mächtigen Ofen steht die „Gutsche", eiu dem Algäu eigeuthümliches Möbel 
von der Form einer schmalen Bettlade, welche den mit Buchenlaub gefüllten 
Sack und ein einfaches Kopfkissen aufnimmt, eine Art Schlafsofa. In der 
gegenüberstehenden Gruppe ist der „Tischwinkel" mit dem Hansaltärchen 
darüber. Die dritte Ecke nimmt der Kleiderschrank ein und die vierte der so- 
genannte Gläserkasten, eine Kommode mit Glasanssatz, welche die Schätze der 
Hausfrau an Gläsern, Tellern, Tassen Kannen, Ringen, Ketten, Rosenkränzen, 
Gebetbüchern u. f. w. birgt. Wie dem Hausvater die Gutsche, so ist der Haus- 
frau das „klei Stielle", d. h. der Fußschemel, eigen, das immer neben ihrem 
Tischplatze unter der Bank steht und jedes Mal hervorgeholt wird, wenn sie 
ausruht, strickt, näht oder sich ihren Gästen als Hausherrin „verstäudieret", 
d. h. sich ihnen zeigt. 
In alten Häuseru steht der Kochherd in der Stube uud erfüllt seine Be- 
stimmnng zugleich als Kamiu zu ihrer Erwärmung und als Feuerstätte zu 
ihrer Beleuchtung durch Kienspäne. 
Ueberall herrscht die größte Reinlichkeit und giebt sich ein gewisses Schön- 
heitsgesühl in angenehmer Weise zu erkennen, letzteres namentlich in der von 
den „Fehlen" (jungen Mädchen) betriebenen Blumenzucht im kleinen Hans- 
garten oder am Fenster. Nelken, Rosmarin, brennende Liebe und Gelbveig- 
lein sind besonders beliebt; sie schmücken auch beim souutägigeu Kirchgang die 
Brust der „Fehl". Im Garten stehen auch Malveu und Asteru und die 
herbstliche Dahlie. 
Am oberen Lech fehlen die Verfchindelung und die Vordächer; dagegen 
tritt hier die „Laube" am Oberstocke hervor und vermittelt den Uebergang 
zum Gebirgshaus der Tiroler uud Bayerischen Alpen. 
Volkstrachten. Mit der heiteren Lebensanschauuug der Algäuer steht die 
vorwiegend schwarze oder doch dunkle Tracht der Frauen uud Mädcheu in 
eigentümlichem Widerspruche; sie erklärt sich wol am natürlichsten durch das 
lange Trauergehen, das hier die Sitte verlangt, welche außer deu Trauer- 
kleidern auch noch „Stauchen und Gebände", das alte nonnenhaste Schleier- 
tnch, erfordert. An Stelle der früheren Radhauben (Drahtgestelle, mit schwar- 
zem Flor umzogen) hat das jüngere Frauengeschlecht jetzt kleine schwarze Tüll- 
Hauben eingeführt, die nur deu Hinterkopf bedecken und von denen lange 
schwarzseidene Baudschleifen den Rücken hinabflattern. 
In der Tracht der Männer ist das altherkömmliche Kamisol mit kurzer 
Taille uud langen Schößen von braunem oder olivengrünem Tuche eigen-
	        
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