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Dritter Zeitraum. — § 20. Die Gracchischen Unruhen.
In den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen
Zündstoff zu einer Staatsumwälzung! (Vgl. Frankreich vor
der Revolution von 1789.)
§ 20. Die Gracchischen Unruhen.
133—121 133—121.
Die schweren Schäden des Staates werden von einsichtigen
Männern, auch des Adels, erkannt. Versuche, die wirtschaft¬
liche Lage zu bessern, ohne Erfolg, da in zu kleinem Massstabe
unternommen. Der von den Gracchen betretene Weg führt
zu Unruhen. Mangelnder Zusammenschluss der Partei, Scheu
vor Staatsstreichen und Vergiessen von Bürgerblut, vor dem
der Adel nicht zurückschreckt, hindert die Durchführung ihrer
Pläne. Das Ende der Bewegungen ist der Bürgerkrieg.
I. Tib. Sempronius Gracchus, älterer Sohn des
gleichnamigen Erweiterers römischer Macht in Spanien (s o
S. 44) und der hochherzigen Cornelia, Tochter des älteren
Scipio Africanus (s. o. S. 25), ein wohlmeinender und ernster,
wenn auch etwas weichmütiger Charakter, will einen freien
133 Bauernstand wiederherstellen. Er erneuert 133 als Tribun
das zwar noch zu Recht bestehende, aber ausser Übung ge¬
kommene licinische Ackergesetz v. J. 367, das den Besitz
von mehr als 500 Morgen Staatsland verbietet, mit der Er¬
weiterung, dass jedem Sohne eines Besitzers von Staatsland
noch 250 Morgen belassen werden sollen. Das widerrechtlich
in Besitz genommene Land soll in Ackerstücken von 30 Morgen
an ärmere Bürger und Bundesgenossen ausgeteilt werden.
Heftige Erregung wegen Störung des Besitzstandes in
den betroffenen Kreisen.
Der von dem Adel gewonnene Tribun Octavius erhebt
Einspruch (gleichbedeutend mit dem Scheitern des Gesetzes,
s. o. S. 15). Tiberius lässt den widersprechenden Amtsge¬
nossen vom Volke widerrechtlich absetzen und von der Red¬
nerbühne abführen.
Das Gesetz geht durch. Ein Dreimännerausschuss (trium¬
viri agris dividundiä) — die Brüder Tib. u. C. Gracchus
und der Schwiegervater des ältern von ihnen, Appius Claudius
— wird zur Austeilung des Landes eingesetzt.
Die Schwierigkeit der Unterscheidung von Staats- und
Privatland verzögert die Ausführung im laufenden Amtsjahr
und macht die Verlängerung der Amtsdauer des Tribunen
notwendig. Um das Volk für eine Wiederwahl (trotz der