112 Das Mittelalter.
Sinne nicht mehr, ebenso wenig ein Reichsheerwesen. Da die Macht der
Könige und damit des Gesamtstaates auf der Treue der Vasallen beruhte,
die Aftervasallen aber meist aus Rücksicht auf ihre eigene wirtschaftliche
Lage mehr auf ihren unmittelbaren Lehnsherrn als auf den Oberlehnsherrn
blickten, so hing Wohl und Wehe des Reiches von der sittlichen Beschaffen-
heit der großen Vasallen ab. Diese selbst hatten sich in ihren Gebieten so
befestigt, daß sie zu Landesfürsten geworden waren. Indem nun dem
Könige fort und fort Krongut und Hoheitsrechte verloren gingen, eine Reichs-
steuer aber nicht bestand, war von Reichseinkünften nicht mehr die Rede.
Der jedesmalige Herrscher war darum vor allem auf sein Hausgut an-
gewiesen. *)
3. Die Stände.
I. Der Adel, „die Herren".
a. Die Fürsten.
u. Priesterfürsten (über 50).
ß. Laienfürsten.
b. Der niedere Adel.
«. Grafen und freie Herren.
ß. Ritter.
««. Ursprüngliche Freie.
ßß. Ehemalige Dienstmannen.
yy. Eigene Ritter oder Eigenmannen, b)
n. Die Bürgerschaft.
a. Die städtischen Geschlechter (aus altfreien Grundbesitzern und zu-
gezogenen Kaufleuten, zum Teil einst ministeriellen Standes, be¬
stehend), in Vlarnland die Poorters.
b. Freie Handwerker (ehemals Hörige).
c. Pfahlbürger. (Später verboten.)
1) Außer bem Grundbesitz bildete alles, was einen bauernben Ertrag abwarf,
Gegenftanb ber Belehnung; so bie Ämter aller Art, Zölle, Renten, Münz- unb Markt¬
gerechtigkeit, Kirchen, Klöster, Mühlen, Burgen, ein einzelnes Haus wie eine ganze
Stabt ober eine ganze Lanbschaft. Bei ber Übertragung eines Lehens gab sich ber
Belehnte burch Hanbschlag in bie „Hulbe" bes Herrn unb leistete ben Treueib. Dann
sprach bieser bie Belehnung aus unb übergab bas Lehen vermittelst eines Sinnbilbs,
z. B, eines Hutes ober Hanbschuhes; bie Belehnung ber geistlichen Fürsten erfolgte
burch Ring unb Stab (bis 1122), bie ber weltlichen burch eine Lanze mit einer Fahne
ober burch eine Fahne allein. Trat ein Wechsel in ber Person bes Lehnsherrn ober
bes Lehnsmannen ein, so mußte eine neue Belehnung ftattfinben. Die Haupt¬
pflichten ber Belehnten bestanden in ber Hof- unb ber Heerfahrt.
2) Die Dien st mannen (Ministerialen) waren aus ber Zahl ber Knechte unb
zinspflichtigen Hintersaffen genommen. Sie würben im Hofbienst unb in ber Ver¬
waltung ber Güter verwanbt, bann aber auch als Reifige zu Geleit- unb Botenbienst,
bei ber Jagb unb im Kriege. Sie bekamen ein Dienst gut. Dies würbe aber bei
den zum Roßbienst verpflichteten Dienstmannen zum Lehnsgut. Diefe Thatfachc lockte
viele Freie, selbst Eble, in bie Ministerialenstellung einzutreten. Durch ben gleichen
Beruf verwuchsen sie nach unb nach mit ben freien Rittern zu einem einheitlichen
Staube. Für „ritterbiirtig" galt eine Familie, wenn sie im dritten ©liebe den Ritter-
beruf ausübte.
3) Dienstmannen nichtgefürsteter höherer Geistlicher ober bes niederen Abels.