Object: Das Mittelalter (Teil 1)

geborene Westfalen; Freischöffe aber konnte jeder freie1), unbescholtene 
deutsche Mann werden; mit dem steigenden Ansehen der Verne suchten selbst 
geistliche und weltliche Fürsten eine Ehre darin, Freischöffen zu werden (sich in 
Westfalen wissend machen zu lassen). Zwischen 1430 u. 1440 lag der Höhe- 
Punkt der Vemgerichte, die bei Rechtsverweigerung sich für alle möglichen 
Fälle als die berufenen Gerichtshöfe betrachteten. Die Strafe, welche bei Hand- 
hafter That angewandt ward, blieb die einzige der Vemgerichte. 
Die Verne oder das heimliche Gericht fand unter freiem Himmel und am 
hellen Tage statt, nur mußten sich bei Strafe des Stranges alle Unwissenden 
(Nichtschöffen) fern halten. Der Kläger (ein Schöffe) beeidete seine Klage 
mit 2 Eideshelfern (Schöffen); dann wurde die Vorladung beschlossen und 
die Heischebriefe dem Verklagten zugestellt; erschien dieser nicht vor Gericht, so 
gewann der Kläger seine Klage mit 6 Eideshelfern. Der Verurteilte (Ver¬ 
lernte) wurde mit dem Strick gehängt, wenn mindestens 3 Schöffen ihn ergriffen. 
Die Zahl der wirklich vollzogenen Todesurteile scheint gering gewesen zu 
sein; sicher hat die Verne Deutschland auf kurze Zeit mehr erschreckt als vor 
der herrschenden Unsicherheit und Gewaltthätigkeit geschützt. Für verwickelte Rechts¬ 
fragen reichte die Gerichtsweise nicht aus, zumal alle Stühle gleichberechtigt 
waren und das Arnsberger Kapitel nickt Macht genug hatte, eine oberste Ent¬ 
scheidung herbeizuführen. Als mit der erstarkenden landesfürstlichen Gewalt 
genügende Rechtssicherheit geschaffen wurde, verlor die Verne den Grund unter 
den Füßen; schon Ende des 15. Jahrh. hatte sie sich überlebt. 
Trotz aller Zusagen war Wenzel 10 Jahre lang (seit 1387) aus Böhmen 
nicht herausgekommen und hatte somit das Reich sträflich vernachlässigt. Erbittert 
über fein Verhalten, setzten ihn die 4 rheinischen Kurfürsten auf dem Königs¬ 
stuhl bei Rense ab (1400) und wählten den Pfalzgrafen Ruprecht (1400 
bis 1410) zum König; der klägliche Ausgang des italienischen Zuges, auf dem 
derselbe den von Wenzel zum Herzog von Mailand erhobenen Johann Galeazzo 
Visconti demütigen wollte, brachten ihn um alles Ansehen; er starb 1410. 
Die Mehrheit der Kurfürsten wählte Jobst (od. Jost) von Mähren 
(1410—1411) zum Könige; als dieser 1411 starb, erlangte sein Vetter 
, Sigismund (1411—1437) die Krone. Die Umstände ermöglichten es ihm, zur 
Wiederherstellung der kirchlichen Einheit ein allgemeines Konzil in Konstanz 
(1414—1418) zu versammeln; scheinbar stand das Kaisertum 2) wieder an der 
Spitze des christlichen Abendlandes; tatsächlich beherrschte Sigismund das Konzil 
nicht. Sein Wortbruch an Hufe bewirkte, daß die Böhmen ihm bei dem 
Tode seines Bruders Wenzel (1419) die Anerkennung der Nachfolge ver¬ 
weigerten. Während das Reich den Plünderungszügen derHussiten erlag 
(vgl. Abschnitt II), war er selbst beschäftigt, sich die Herrschaft in Ungarn3), 
1) Die Freiheit umfaßt jetzt alle, die Eigentum (einen eigenen Rauch) haben. 
2) Sigismund erwarb die Kaiserkrone erst 1433 ohne Glanz u. Ruhm. 
3) Das Geschlecht deS Arpad [ö'rpab], dem Stephan d. Heilige (vgl. S. 75. 2) ange¬ 
hörte, war 1301 ausgestorben. Unter den Kronbewerbern war durch Begünstigung des 
Papstes Karl Robert v. Anjou, der Sohn Karls II. v. Neapel, aus den Thron gekommen; 
dessen Sohn war 
Ludwig d. Große, der mit Ungarn Polen vereinigte (f 1382) 
Maria, Erbin v. Ungarn Hedwig, von d. Polen 1384 auf d. Thron gehoben 
Gem.: Sigismund Gem.: Jagjello, Großfürst v. Littauen (Wladislaw vgl. S. 131).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.