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Als dieser getrunken hatte und ihr die Hand küssen wollte, sprach sie 
lachend: „Nicht geziemt es dem, meine Hand zu küssen, der wohl meinen 
Mund küssen dürfte." Dann erzählte sie ihm, daß sie nach dem Rathe 
der Weisen ihn zu ihrem Gemahl und zum König der Longobarden erwählt 
hätte. Da ward die Hochzeit mit Jubel gefeiert und Alle freuten sich 
über die Wahl der Königin. Aber das Volk mußte erst ihre Wahl be¬ 
stätigen und das geschah in feierlicher Volksversammlung im Mai auf den 
Feldern von Mailand (591). Agilulf herrschte mit großem Ruhme bis 
zum Jahre 610, und das Andenken der Theudelinde blieb lange gesegnet 
im Volke der Longobarden. 
4. Aistulf und Desiderius. 
1. König Aistulf (747). 
Unter dem Könige Aistulf nahm die Feindschaft zwischen dem Papste 
und den Longobarden immer mehr zu; denn der König wollte ganz^talien 
sich unterwerfen, und der Papst sah ihn als Hinderniß seiner Macht an. 
Der Haß zwischen den Römern und Longobarden wurde so bitter, daß ein¬ 
mal der Bischhof Luitprand von Cremona zu dem Kaiser Nicephorus sagte: 
„Wenn wir einen Menschen mit einem schweren Schimpfworte nennen 
wollen, so heißen wir ihn einen Römer; denn unter diesem Namen ver¬ 
stehen wir Longobarden Alles, was niederträchtig, was furchtsam, geizig, 
unkeusch und verlogen ist, ja, was sich nur Lasterhaftes denken läßt." In 
diesem Zwiste aber betrachtete der Papst den fränkischen König als die 
Stütze, an welche er sich zu halten habe. Darum kam es dem Papste so 
sehr gelegen, als Pipin, der bisherige Hausmeier (major domus, Minister 
des königlichen Hauses), ihn um Rath fragte, ob derjenige König zu sein 
verdiene, welcher die Macht, oder der, welcher blos den Namen habe? 
Zacharias, der römische Papst, erwiederte: „wer die Macht in Händen 
habe, müsse auch den Namen des Königs haben." Da wurden dem letzten 
Merowinger, dem schwachen Childerich, die Loden abgeschnitten und Pipin 
bestieg den Thron der Franken. Durch diese That hatte sich der Papst 
den fränkischen König zur Dankbarkeit verpflichtet und diese Schuld der 
Dankbarkeit haben die fränkischen Könige reichlich abgetragen, so daß die 
Welt die Folgen davon spürt bis auf den heutigen Tag. 
Als Aistulf nun nicht aufhörte, den Papst zu bedrängen, sah Ste¬ 
pban, der Nachfolger des Zacharias, wohl ein, daß er sich auf die Hülfe 
des Kaisers in Konstantinopel nicht mehr verlassen könnte; denn alle seine 
Klagen dahin waren fruchtlos geblieben. Darum rief er den kräftigen und 
tapfern Pipin zu Hülfe, und Pipin kam. Zuerst mahnte er den Longo- 
bardenkönig in Güte, der Kirche zu geben, was der Kirche sei; als aber 
derselbe nicht darauf achtete, drang Pipin, als Sd-irmvogt der Kirche, mit
	        
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