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Das Mittelalter.
§. 358.
deutschen Rom erheben wollte, so Adalbert sein Bisthum Bremen-Hamburg zu
einem Patriarchat des Nordens.
„Die gewohnten Pflichten ihres bischöflichen Amtes haben Beide nie versäumt," bemerkt Giese-
brecht; „sie predigten in erbaulicher Weise; sie lasen die Messe mit der tiefsten Devotion und
liebten, sie mit unglaublicher Pracht zu halten; sie Geeiferten sich in guten Werken, indem sie Klö¬
ster und Probsteien gründeten, Arme und Pilger aufnahmen und ihnen dienten. Die Sorge für
die Mission hat Adalbert bis in seine letzten Tage beschäftigt; auch unter den drängendsten Ge¬
schäften des Hofs gedachte er stets der Missionsbischöfe, welche er bis nach Island hin aussandte
und mit Rath und That zu unterstützen nicht ermüdete. Sein äußerer Lebenswandel war ebenso
unsträflich wie der des Kölner Erzbischofs. Beide hielten sich keusch und nüchtern; sie blieben eS
mitten unter den Genüssen des Hoflebens. Im Kreise seiner Schmeichler ließ Adalbert den Wein
reichlich umgehen, er selbst stand oft ohne Trunk vom Mahle auf."
So verschieden geartete Naturen konnten nicht lange auf gleicher Stufe
neben einander stehen. Bald nach dem Feldzuge, den Heinrich in Begleitung
1063 von Adalbert und unter der Führung Otto's von Nordheim nach Ungarn unter¬
nahm (wo nach Bela's plötzlichem Hinscheiden der junge Salomo, des Königs
Schwager, durch die Waffen der Deutschen auf den Thron gesetzt ward), schwand
Hanno's Einfluß auf die Reichsgeschäfte mehr und mehr, besonders als er auf
*58? der Kirchenversammlung zu Mantua einen Beschluß unterstützte, welcher die
kaiserlichen Hoheitsrechte über Rom verkürzte. Bald nach seiner Rückkehr er-
1065. richte die vormundschaftliche Regierung ihr Ende, indem König Heinrich, um
Ostern zu Worms feierlich mit dem Schwerte umgürtet und für mündig erklärt,
die Zügel der Regierung in die eigene Hand nahm, obgleich er _ erst fünfzehn
Jahre zählte. Von nun an behauptete Adalbert die erste Stelle im Rathe des
Königs und verdrängte bald jeden anderen Einfluß, zumal da um dieselbe Zeit
Agnes sich in das Kloster der heil. Petronella in Rom zurückzog. Deshalb
hintertrieb er auch die anfangs beabsichtigte Romfahrt Heinrichs, damit nicht
Hanno oder Herzog Gottfried neue Macht gewännen; und doch wäre der Zug
und die Krönung zur Herstellung des sinkenden Autorität des Kaisers so zweck¬
mäßig gewesen!
§. 358. Als Rathgeber und Günstling des jungen Königs suchte Adal¬
bert die Leidenschaften seiner Seele, Herrschsucht, Habgier und Eitelkeit, auf
alle Weise zu 'befriedigen. Es war, als ob das Glück alle besseren Eigenschaften
in ihm getilgt hätte. Sein glänzendes Hofleben und seine kostspielige Baulust
verschlangen die Einkünfte des Stifts und führten zu drückender Besteuerung;
Schmeichler und Schmarotzer umgaben ihn und nährten seinen Stolz und seine
Eitelkeit. Und alle diese Untugenden gingen auch auf den jungen König über,
dessen ganzes Vertrauen er besaß und in dessen Nähe nur Anhänger und Ge¬
schöpfe des Erzbischofs geduldet wurden. Als endlich seine „Alleinherrschaft voll
offenbarer Tyrannei" unerträglich ward und er seine Stellung mehr und mehr
mißbrauchte, um sich durch königliche Schenkungen die einträglichsten Pfründen
Iammr und Kirchengüter Übertragen zu lassen, stellten die auf dem Reichstag in Trrbur
versammelten geistlichen und weltlichen Fürsten die dringende Forderung an Hein¬
rich, den Günstling vom Hofe und von den Reichsgeschäften zu entfernen. Und
wie tief auch die unwürdige Behandlung den jungen König verletzte, Adalbert
mußte mit seinen Getreuen in der nächsten Nacht die Hofburg räumen und in