836 Das Mittelalter. §. 461.
folglich während eines Zwischenreichs die kaiserliche Gewalt an den Papst zu¬
rückfalle. Da setzte der Kaiser seinen bisherigen Gegner Friedrich zum Reichs¬
verweser ein und begab sich nach Italien, wo er, unterstützt von den dem Papste
«27. feindlich gesinnten Minoriten (§. 398) und der ghibellinischen Partei, an¬
fangs glänzende Fortschritte machte, durch ein feierliches Gerichtsverfahren den
abwesenden Papst wegen ketzerischer Lehrmeinungen absetzte, einen Minoriten-
1328. mönch an seine Stelle erhob und sich in Mailand und Rom krönen ließ. Als
er aber, um seine habgierigen Söldnerschaaren zu befriedigen, die Italiener durch
133g. drückende Geldforderungen sich entfremdete und Friedrichs Tod ihn nach Deutsch¬
land rief, gewann die päpstliche Partei wieder die Oberhand. Der Gegenpapst
verzichtete auf seine Würde und nahm in Avignon das Gnadenbrod an, und
die Häupter der Ghibelliueu suchten sich mit Johann auszusöhnen. Umsonst warf
sich jetzt der unruhige, abenteuerliebende Sohn Heinrichs VII., König Johann
1831. von Böhmen, zum Friedensstifter auf; der Jubel, mit dem er anfangs in
Italien begrüßt wurde, verlor sich bald, als man seine selbstsüchtigen Absichten
erkannte; Fürsten und Städte vereinigten sich zu seiner Vertreibung. Nicht er¬
folgreicher waren seine Bemühungen bei dem Papste; Johann XXII. weigerte
sich, den Bannfluch zu lösen, ehe Ludwig der Kaiserkrone entsagt habe. So
1834. dauerte der Kampf fort. Als aber der neue Papst Benedict XII. von dem
französischen König gezwungen wurde, gegen seinen Willen Bann und Jnterdict
zu wiederholen und die von dem Kaiser demüthig dargebotene Hand der Ver¬
söhnung zurückzuweisen, da erließen die versammelten Kurfürsten, nachdem sie
sich von Ludwigs Rechtgläubigkeit und Friedensversuchen Überzeugt, auf dem
1836 Kurverem zu Rense die Erklärung: daß fortan jede von den Kurfürsten
vollzogene Wahl eines deutschen Königs auch ohne päpstliche
Bestätigung Gültigkeit habe, und stärkten aus dem denkwürdigen Reichs¬
tag zu Frankfurt die kaiserliche Gewalt durch kräftige Gesetze wider die Unbot¬
mäßigkeit der Großen, wider das wilde Fehdewesen und wider Bruch des Land¬
friedens. Die Geistlichen, die dem Interdikte Folge leisteten, wurden als
Ruhestörer behandelt und abgesetzt. Zugleich stärkte sich der Kaiser durch ein
Bündniß mit England gegen Frankreich und den päpstlichen Stuhl.
Die heftigen Streitschristen, womit Papst und Kaiser einander bekämpften, minderten
Beider Ansehen. Besonders aber schwand der Glanz der päpstlichen Tiara durch die Hab-
qier und Genußsucht,, die sich die französischen Kirchenhäupter zu Schulden kommen ließen
und zu deren Befriedigung Johann XXH. den schmählichsten Pfründenhandel trieb, neue
Sporteln erfand und unerhörte Erpressungen übte, so daß er bei seinem Tode siebzehn Mil¬
lionen Goldgulden seinen Verwandten und sieben Millionen an Silbergeschirr und Edel¬
steinen in der Schatzkammer hinterließ. „Ganz darauf gestellt zu herrschen, ward Alles,
was das hierarchische System berührte, wie jenem Midas, der im Gold verhungerte und
verdurstete, zu eitel Macht und weltlicher Herrlichkeit. Jede tief christliche Regung, jede
heiligste Begeisterung ward von diesem System entweder zermalmt oder ging m ferner Für¬
sorge in Entartung und Fäulniß über, ward geistiger Tod."
§. 461. Ludwigs Ausgang. Die Eintracht zwischen den deutschen
Fürsten und dem Kaiser zur Schwächung der päpstlichen Gewalt schwand bald, als
Ludwig, von Ländergier und Habsucht getrieben, geistliches und weltliches Recht
unter seinen Vortheil beugte, aus eigener Machtvollkommenheit die Ehe der