902 Das Mittelalter. §. 499. 
ging ein Jahrhundert später unter der Königin Maria an die Franzosen verloren. Nnr die 
uormLmtischen Inseln Guernsey und Jersey blieben bis auf den heutigen Tag in den 
Händen der Engländer. 
§. 499. Auf den gutmüthigen, schwachen, von Frauen (Agnes Sorel) und 
Günstlingen geleiteten Karl VII. folgte Ludwig XI., ein staatskluger, rede- 
"e gewandter Fürst voll Trug und Tücke, der durch Arglist, Gewaltthätigkeit und 
unerhörte Tyrannei das Reich ganz umgestaltete. Nur auf Vergrößerung seines 
Landes und Erhöhung seiner Macht und Herrschaft bedacht, setzte er sich über 
Moral und Religion weg und verletzte Wahrheit und Recht ohne Scheu, die 
Stimme seines Gewissens durch abergläubischen Heiligen- und Reliquiendienst 
und durch äußerliche kirchliche Uebungen erstickend. Nach einem mehrjährigen 
-Krieg mit den Großen des Reichs, die mit dem Herzog von Burgund den „Bund 
der öffentlichen Wohlfahrt" gegen Ludwig geschlossen und ihm die unentschiedene 
i<85. Schlacht bei Montlherh lieferten, brach er mehr durch Unterhandlung, 
Verrath und Ränke, als durch das Schwert die Macht der Kronvasallen und 
der unbotmäßigen Herzöge und Fürsten von königlichem Geblüt und vereinigte 
allmählich alle großen Lehen im Süden und Westen, ausgenommen Navarra 
und Bretagne, mit der Krone. Größer wurde seine Bedrängniß, als der 
kriegerische Karl der Kühne (§. 519) die Regierung in Burgund antrat. 
Erzürnt, daß Ludwig die Stadt Lüttich zum Abfall gereizt, nahm er denselben bei 
1468. einer Zusammenkunft in Peronne wider gegebenes Wort gefangen und zwang 
ihn zu einem nachtheiligen Vertrag und zu der schmachvollen Demüthigung, mit 
ihm zur Bestrafung der Lütticher auszuziehen. Ludwig verbiß seinen Aerger, 
sann aber aus Rache. Er bewirkte, daß das Pariser Parlament den Vertrag nicht 
bestätigte, reizte die flandrischen Städte zum Aufruhr wider ihren gewaltthätigen 
und harten Herzog und bereitete demselben einen starken Feind in der Schweizer 
1474. Eidgenossenschaft. Er schloß nämlich mit derselben eine Übereinkunft, vermöge 
deren er gegen eine ansehnliche Geldzahlung alle Zeit auf den Zuzug von Hülfs- 
truppen rechnen konnte, und beförderte das „Reislaufen" helvetischer Söldner in 
französische Kriegsdienste. Mit dieser neuerworbenen Hülfe brachte er Karl den 
Kühnen zu Fall und bemächtigte sich des Herzogthums Burgundien (§. 519). 
Eben so erfolgreich mehrte Ludwig die königliche Macht nhd Hoheit im Innern: 
er umging die Rechte der Stände und legte willkürliche Steuern auf oder er¬ 
höhte die bereits bestehenden; dabei beförderte er die Provinzialverfassungen, die 
seiner Selbstbestimmung in politischen Dingen keinen Eintrag thun konnten und 
geeignet waren, Zufriedenheit und Vertrauen in den unterworfenen Landschaften 
zu wecken; er vernichtete die richterliche Gewalt des Adels durch Errichtung 
neuer Parlamente (königlicher Justizhöfe) und begünstigte die Städte und 
die bürgerlichen Institutionen auf Kosten der Großen, denen er untilgbaren Haß 
trug. Ein Mann von ausgezeichneter Befähigung als Staatsmann und Diplomat, ; 
entbehrte er dagegen alles höheren sittlichen Schwunges. „Er hat ein Königreich 
groß gemacht, aber ohne alle eigene persönliche Größe." — Gewissensbisse über 
seine Grausamkeit und treulose Staatskunst und Menschenfurcht peinigten ihn 
auf dem einsamen Schlosse (Plessis-les-Tonrs), wo er die letzten Jahre seines 
Lebens zubrachte. Er zitterte vor dem Gedanken an den Tod und suchte in 
Reliquien und Zaubermitteln Verlängerung des Lebens. Durch die Vermählung j
	        
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