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Die Zeit der Gegenreformation.
§. 642.
5. Juni
1568.
1569.
t April
1572.
mit unbeschränkten Vollmachten in Brüssel angelangt, so ließ er in seinem Palaste
Culemborghaus den arglosen Egmont, des Volkes Abgott, und den tapfern
Hoorn durch seinen natürlichen Sohn Ferdinand von Toledo festnehmen und sie
dann vor dem neuerrichteten „Rath der Unruhen" des Hochverrats anklagen,
worauf beide nebst achtzehn andern Edeln verurtheilt und auf dem Marktplatze
in Brüssel enthauptet wurden. Durch Wegräumung der Häupter des Adels, dem
man die aufrührerischen Bewegungen hauptsächlich zur Last legte, hoffte man die
der Führung beraubte Nation leicht zum stummen Gehorsam zu bringen. Furcht¬
bar wüthete nun das spanische Richtbeil in dem unglücklichen Lande. Die Re¬
gentin, empört über die Gräuel des Despotismus, denen sie ruhig zusehen mußte,
entsagte ihrer Stelle und begab sich, beschenkt und betrauert, nach Italien. Ihr
Andenken blieb in Ehren. Mit unerhörter Strenge verfuhr nunmehr der von
Alba eingesetzte Rath der Unruhen, von den Niederländern Blutrath ge¬
nannt, worin ein harter, gewissenloser, mit den Gesetzen und Gebräuchen des Volks
unbekannter Spanier, V ar g a s, den Vorsitz führte und des Herzogs tyrannische Befehle
vollstreckte. Habsucht, Blutgier und Fanatismus suchten um die Wette ihre Opfer.
An allen Orten sah man Galgen und Rad errichtet; Scheiterhaufen loderten für
die protestantischen Geistlichen und die hartnäckigen Bekenner des Evangeliums;
an die Balken niedergerissener Kapellen knüpfte man sowohl bilderstürmende
Neuerer als friedfertige Calvinisten und Lutheraner aus. „Alles in den Nieder¬
landen sonst so einheimische fröhliche Leben verschwand, das Entsetzen eines großen
allgemeinen Grabes füllte alle Gemüther." Die Bürgerschaft von Antwerpen
mußte das Geld zu dem Baue der Citadelle hergeben, durch die Alba Stadt und
Land in Fesseln schlagen wollte. Den in Lüttich zurückgelassenen Sohn Wilhelms
von Oranien ließ ber König nach Madrid bringen und ihm durch eine fanatische
Erziehung Haß gegen bie neue Lehre unb gegen ben eigenen Vater einprägen.
§. 642. Bebrohte ber grausame Blutrath Leben unb Freiheit, so gefähr-
beten Alba's Steuerpläne ben Wohlstand und Handel. Unzufrieden mit der
gesetzlichen Bestimmung, daß alle Steuern von den Ständen jeder Landschaft auf
kurze Frist bewilligt und von ihnen selbst nach eigenem Ermessen auferlegt und
erhoben werden sollten, erlangte Alba eine ständige Steuer zu hohem Be¬
lauf unb vertheilte sie aus eine bem Hanbel unb Verkehr höchst nachtheilige Art *).
Wie sehr auch bie Stänbc proteftirten, Alba bestaub auf seiner Forderung; aber
bitrch biefen willkürlichen Eingriff in die Landesgesetze, der den Kaufmann wie
den Gutsbesitzer, den Katholiken wie den Protestanten mit gleichem Ruin bebrohte,
weckte er ben eingeschüchterten Oppositionsgeist unb nähme die durch Eonfessions-
unterfchied Getrennten einanber wieber. Als Alba mit Gewalt den Kaufaccis
eintreiben lassen wollte, schlossen bie Brüsseler Kaufleute ihre Magazine, bie
Krämer, Bäcker u. s. w. ihre Laben unb verweigerten bie Zahlung. Schon brohte
ber tyrannische Herzog, bie Widerspenstigen vor ihren Häusern aufhängen zu
lassen — als bie Nachricht, baß eine Schaar Ausgewanderter, bie sich zur See
herumtrieben unb barum Meergeusen genannt würben, bie Hafenstabt Briel
erobert hätten unb mehrere Stäbte in Hollanb unb Seeland zu ihnen abgefallen
wären. die Gebeugten ermuthigte und die Spanier betroffen machte. Balb nach¬
her gelang es bem zurückgekehrten Wilhelm von Oranien, bie nörblichen
Provinzen zu vereinigen. Er würbe als Statthalter von Hollanb, Seelanb,