§. 762. Das Zeitalter Ludwigs XIV. 279 
Kriegsliebe geführt worden. „Dem kriegerischen, verfolgenden, prächtigen, absoluten 
Königthum Ludwigs XIV. setzt er ein friedliches, tolerantes, den Gesetzen unterworfenes, 
auf die Förderung eines unschuldigen, einfachen Volkslebens gerichtetes entgegen, das 
offenbar das Ideal feines Zöglings (des Herzogs von Burgund) sein sollte." Nie hat 
der Erzieher eines Fürsten sein Amt mit so großem Eifer, so klarem Blick und mit so 
steter Rücksicht auf das Land, dem der Zögling angehörte, verwaltet. 
Da die dort aufgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Regierung Lud- 
wigS XIV. als eine Satire auf die letztere gelten konnten und man hie und da Anspielungen 
zu finden glaubte, so verbot der von dem neidischen Bossuet gegen Fenelon aufgebrachte König 
nicht nur den bereits begonnenen Druck, sondern belegte auch den Bischof, mit dessen mystisch¬ 
religiösen Ansichten er überdies unzufrieden war, mit seiner Ungnade. Erst nach Ludwigs Tode 
wurde das Ganze vollständig gedruckt und zugleich die merkwürdige Abhandlung (»Anweisungen 
für das Gewissen eines Königs") beigefügt, in der Fenelon aus den Lehren des Christenthums 
die Grundsätze einer von Räthen aus dem Volke umgebenen constitutiouelleu Monarchie ableitete, 
die regelmäßige Einberufung der Generalstände empfahl und die Verwaltung des Staates nach 
festen Gesetzen zur Gewissenssache des Regenten machte. Nicht in der Größe und dem Glanze 
eines Reiches, sondern in der Wohlfahrt der Angehörigen desselben sieht er das Ziel der Staats¬ 
verwaltung. Die zur Vergrößerung des Reichs oder für den Ruhm eines Fürsten geführten 
Kriege werden in den Schriften Fenelons auf das Entschiedenste verdammt. Alle Staaten gehören 
nach ihm einer einzigen großen Genossenschaft, dem menschlichen Geschlechte an, demnach sind 
alle Kriege nur Bürgerkriege. Bei ihm findet sich zuerst die schöne Idee der Philanthropie klar 
ausgesprochen. „Fenelon würde es vorziehen, wenn die Macht niemals mit der Religion in 
Verbindung gerathen wäre; in ihm erscheint die individuelle Religion, auf ein unmittelbares 
Verhältniß der geistlichen Spiritualität zu ihrem göttlichen Urquell, die sich nur vor Abwegen zu 
hüten hat, gegründet, von der Idee des menschlichen Geschlechts durchdrungen; seine Sprache 
strebt nach der Leichtigkeit und Anmuth, die das Ideal des achzehnten Jahrhunderts bildet." 
§.762. Prosa-Literatur der Franzosen. Einen neuen Zweig derProsa - 
Literatur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden Zeitschriften, sowohl 
politische als literarische. Unter den letztem waren am bedeutendsten das im Sinne 
der katholischen Kirche und des Pariser Hofes redigirte Journal desSavants (seit 1665), 
die von Leclerc (Clericus) und Bayle in den Niederlanden geleiteten Nouvelles de la 
republique des lettres im protestantisch-freisinnigen Interesse und das Jesuiten-Journal 
de Trevoux. — Von der polemischen Literatur, zu welcher der Streit der Jansenisten 
(Pascal u. A.) mit den Jesuiten Veranlassung gegeben, ist schon oben (§. 749) die 
Rede gewesen. — Bayle, ein während der Huguenottenversolgungen aus Frankreich 
in die Niederlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten Kritiker und hellsten 
Köpfe der Zeit. Sein Grundsatz, daß die menschliche Vernunft nur vermögend fei, 
Irrthümer zu entdecken, keineswegs aber die Wahrheit zu erkennen, hat seinen Unter¬ 
suchungen einen auflösenden und vernichtenden Charakter aufgedrückt. Er bekämpfte mit 
Freimuth und überzeugender Gründlichkeit und Klarheit alle Irrthümer und Voruriheile 
in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben und unterwarf alles S^rhandene in Sitten. 
Meinungen, Staatseinrichtungen und Religion seinem prüfenden Verstand. Ein Vor¬ 
kämpfer der Denk- und Glaubensfreiheit, hat er mit Kühnheit und Gelehrsamkeit den 
Widerspruch zwischen Denken und Glauben, Vernunft und Offenbarung nachgewiesen 
und daraus Berechtigung zum Zweifel und den Anspruch auf Duldung jeder von den 
herrschenden kirchlichen Vorstellungen abweichenden Ueberzeugung hergeleitet, sofern sie 
nur dem Staat nicht gefährlich werden konnte. Seine Schriften waren um so wirksamer, 
als er Meister des Stils war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen durch witzige und 
unterhaltende Darstellung und Anekdoten ein Interesse zu geben wußte. In seine Fuß« 
stapfen traten Fontenelle, der geistreiche Weltmann St. Evremont und vor Allen 
der gleichfalls in Holland lebende Genfer Leclerc, der des Meisters Ansichten über¬ 
bietend den Zweifel zur vollkommenen Verneinung steigerte. 
Bayle's Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch, worin er an 
eine Anzahl Namen aus der politischen, kirchlichen und literarischen Geschichte seine gelehrten 
Dayle 
1647-1706.
	        
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