§. 979. Griechenlands Freiheitskampf. 603 
1824 an ihren Vasallen, den Vicekönig Mehemed Ali, der auf den Trümmern der 
Mamelnkkenherrschaft in Aegypten eine Staatsverwaltung und Kriegsmacht nach euro¬ 
päischem Muster gebildet hatte, und gewann ihn durch das Versprechen, ihm Kreta 
und Morea abtreten zu wollen, wenn er ihr beistehe. Mehemed Ali sandte dann seinen 
Sohn Ibrahim mit einem beträchtlichen, viel gemischten Heer nach dem Peloponnes. 
Die kleinen, zwieträchtigen Griechenschaaren hielten nicht Stand vor der wohlgerüsteten 
Armee des sieggewohnten Aegypters; eine Stadt um die andere fiel in seine Hände; über 
Blut, Leichen und Brandstätten ging der Zug Ibrahims und seiner entmenschten Truppen. 
Von dem festen Tripolizza aus, das er sich zum Stützpunkt gewählt, wurde der Pelopon¬ 
nes zwei Jahre lang grausam verwüstet. Städte und Dörfer sanken in Asche, die Leichen 
und Gliedmaßen der Gemordeten lagen unbeerdigt umher, ein Raub der Hunde und 
der wilden Thiere, die Kirchen wurden zerstört, die Priester einem martervollen Tode 
überliefert. Vor Missolonghi vereinigte sich Ibrahim mit dem Heere des türkischen Feld¬ 
herrn Kiutagi, der die Stadt schon zweimal vergebens belagert hatte und verzweifelte, sie 
allein einzunehmen. Den vereinten Anstrengungen der Türken und Aegypter konnten 
die heldenmüthigen Bewohner auf die Dauer nicht widerstehen, zumal da sie von der 
uneinigen griechischen Regierung nur schwach unterstützt wurden. Als die Stadt unhalt¬ 
bar geworden war, wagten sie mit Weibern und Kindern einen Ausfall auf die ringsum 
anstürmenden Feinde; fast der dritte Theil wurde erschlagen, die Stadt selbst ging in 
Flammen auf, und alle Zurückgebliebenen fanden in den Trümmern ihren Tod. Der 
Fall von Missolonghi schreckte vie europäischen Kabinete, die bisher nur auf diploma¬ 
tischem Wege wenig beachtete Vorstellungen gemacht hatten, aus ihrer Unthätigfeit auf. 
§. 979. Ausgang. Kurz zuvor war Kaiser Alexander zu Taganrog amasow'- 
schen Meer schnell und unerwartet ins Grab gestiegen, und sein zweiter Bruder Nicolaus 
führte, da der ältere, Constantin, schon früher dem Thron entsagt hatte, das russische 
Scepter, nach der blutigen Unterdrückung einer Militärverschwörung, die angeblich auf 
Übertragung der Krone an Constantin und Beschränkung der unumschränkten Zaaren- 
macht durch constitutionelle Formen gerichtet war, die aber, da sie keinen Rückhalt im 
Volke hatte, scheitern mußte. In England war das Staatsruder den geschickten Händen 
des hochsinnigen Canning anvertraut, der auf der Höhe des Lebens seine Jugendträume 
und die Begeisterung für Griechenlands Befreiung nicht vergessen hatte. Es gelang ihm 
in Petersburg durch Wellington ein Protokoll abschließen zu lassen, worin sich England 
mit Rußland verband, zwischen der Türkei und Griechenland auf einer für die Griechen 
allerdings noch unvortheilhaften Basis zu vermitteln (Tribut, enge Grenzen). Die fran¬ 
zösische Regierung ward durch die laute Stimme der philhellenischen Opposition gedrängt, 
sich den beiden Mächten anzuschließen, während sich Preußen durch den Fürsten Metternich 
vom Beitritt abhalten ließ. Am 6. Juli 1827 kam nun zwischen England, Frankreich 
und Rußland auf Grundlage des Petersburger Protokolls ein Vertrag über die griechi¬ 
schen Angelegenheiten zu Stande, der freilich bezüglich der Ausführung des Vermittlungs¬ 
geschäftes, wie Metternich sich ausdrückte, „von Lügen und Unbestimmtheiten wimmelte". 
Die Instructionen, welche in Folge dieses Vertrags an die verbündeten Flottencomman- 
vanten in der Levante geschickt wurden, schrieben diesen vor, jeden Zusammenstoß zwischen 
den beiden Parteien zu verhüten, und ließen ihnen bei der Ausführung dieses Pacisica- 
tionsgeschästs im „Voraus einen weiten Spielraum". Die Admirale sahen ein, daß sie 
ihren Zweck nur erreichen könnten, wenn sie Ibrahim nöthigten, sein barbarisches Ver¬ 
wüstungssystem in Messenien aufzugeben, und die Flotte, die er im Hafen von Navarin 
hatte, nach Alexandrien zurückzusenden; sie liefen, um ihrer Forderung Nachdruck zu 
geben, in den Hasen von Navarin ein, wo sie die türkisch-ägyptische Flotte in Schlacht¬ 
ordnung ausgestellt fanden. Schüsse, die vielleicht zufällig von türkischer Seite auf das 
englische Admiralschiff fielen, gaben das Signal zum Kampf. Nach vier Stunden war die 
Flotte der Osmanen vernichtet. Während sich die Diplomatie der Westmächte zu Con- 
stantinopel in fruchtlosen Unterhandlungen erschöpfte, während Fürst Metternich, durch 
Cannings Tod ermuthigt, die Pforte zu veranlassen wußte, sich vertraulich an Oesterreich 
zu wenden, um die Vermittelung des Kaiserhofes zwischen ihr und den Verbündeten nach- 
22. AprU 
1826. 
1. Drcbr. 
1826. 
20. Del 
1827.
	        
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