§. 575. Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V. 47 
Schreiber ausgesetzt. Besserung seiner Lage konnte er von den höhern Ständen, 
die ihn mit der größten Verachtung behandelten, nicht erwarten, daher er auf 
den Gedanken kommen mußte, durch gewaltsame und eigenmächtige Schritte die 
versagten Rechte zu erringen. Schon in den neunziger Jahren des fünfzehnten 
Jahrhunderts erhoben sich in den Niederlanden große Schaaren von Bauern, 
die „Käse und Brod" in ihrer Fahne führten; die Unterthanen des Abtes von 
Kempten vertrieben ihren ungerechten Herrn und erwarben sich eine bessere 
Stellung, im Anfang des sechszehnten Jahrhunderts pflanzte der „Bundschu h" 
in Speyer, in Schlettstadt und in den Rheingegenden das Panier der Selbst¬ 
hülfe auf; unter den furchtbarsten Eidschwüren mußten die Theilnehmer des 
Bundes Treue und Verschwiegenheit geloben; in Schwaben führte der Steuerdruck 
und die Schmälerung des Maßes und Gewichtes durch den verschwenderischen 
Herzog Ulrich von Würtemberg und seine gewissenlosen Räthe die bewaffnete 
Erhebung der Bauernverbindung „vom armen Konrad" herbei; auch in 
Oesterreich und Kärnthen zeigten sich drohende Bewegungen und in Ungarn 
stand das Volk gegen Adel und Klerus unter Waffen. Neben Erleichterung 
des materiellen Nothstandes verlangten die deutschen Bauernschaften auch Ab¬ 
stellung der geistlichen und „rothwelschen" Gerichte; sie wollten nicht von Juristen 
nach den Gesetzen Roms ihr Recht zugewiesen haben. Wurden auch diese ver¬ 
einzelten Aufstände bald niedergeworfen, so waren sie doch Kundgebungen einer 
weitgehenden erbitterten Stimmung und konnten als Vorboten eines großen 
Kampfes gelten. Noch war die Erinnerung daran nicht verwischt, als der all¬ 
gemeine Ruf nach Freiheit und Unabhängigkeit, der seit Luthers Auftreten durch 
ganz Deutschland erschallte, in dem Bauernstand, der unter „evangelischer Freiheit" 
die Abstellung aller drückenden Verhältnisse verstand, kühne Hoffnungen und 
Wünsche erregte, die durch verschiedene Umstände genährt wurden. 
Zuerst scheinen Sickin gen, Hutten u. A. die Aufregung begünstigt zu 
haben, in der Absicht, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen und mit dem 
Schwerte Deutschlands politische und religiöse Umgestaltung durchzusetzen. Sickingens 
Fehde mit dem Erzbischof von Trier sollte den Anfang machen. Da aber Luther 
jedes gewaltsame Verfahren mißbilligte, und das göttliche Wort nicht durch fleisch¬ 
liche Waffen geschützt wissen wollte, so fand Sickingens Unternehmung nicht die 
gewünschte Unterstützung, und sein Tod bei der Belagerung seiner Burg Lanv- 
stuhl (1523) verzögerte den Ausbruch des Ausstandes noch zwei Jahre. Da 
zogen mehrere aus Sachsen vertriebene Wiedertäufer, besonders der schwär¬ 
merische Thomas Münzer, in Süddeutschland umher, sprachen von Abstellung 
geistlicher und weltlicher Gewalt, und von Aufrichtung eines himmlischen Reiches, 
wo alle Menschen gleich sein und jeder Unterschied zwischen Arm und Reich, Vor¬ 
nehm und Gering verschwinden sollte. Aehnliche Ansichten verkündete Balthasar 
Hubmaier, Professor in Ingolstadt, dann Prediger in Waldshut. In Wort und 
Liedern erhob man sich gegen den Adel und die reichen Leute, welche auf stolzen 
Hengsten reiten und im Uebermuth daher gefahren kommen, „das Gut der Armen 
ohn' Unterlaß verzehren". Diese Lehren drangen auch in den Schwarzwald und die 
Gegend des Bodensees, wo das Beispiel der nahen Schweiz, die durch eigene Kraft 
die fremde Zwingherrschaft gebrochen und nun in einem freien Staatsleben sich 
bewegte, zur Nachahmung reizte und wo die österreichische Regierung das Alte
	        
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