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Auf die Erforschung des Götterwillens verwenden die
Germanen besondere Sorgfalt (Vogelflug und -Sang, Wiehern
der Rosse, Runenstäbe!). Ihr phänomenaler Natursinn (den
sie erst in das occidentalische Geistesleben gebracht zu haben
scheinen) drückt sich in den Gestalten ans, die gleichsam die Seelen
der Gebilde in der Natur verkörpern (Elfen, Nixen). NB. Unter¬
schied der Anschauung bei den klassischen Völkern. Diejenige der
Germanen erschöpft sich darin noch nicht?) Hoch steht ihnen
das Leben nach dem Tode. Die im Kampf Gefallenen werden
durch die Walküren nach Walhalla geleitet.
Verehrt wurden jene Götter weder in Tempeln noch
durch Vermittelung einer erblichen, abgeschlossenen, allmächtigen
Priesterschaft (Druiden), sondern in der freien Gottesnatnr,
in heiligen Hainen, an frisch sprudelnden Quellen, auf
Bergeshöhen — mit Opfern (auch Menschen!), auch in Bildern.
Heilige und weise Frauen (Velleda), Priesterinnen, Prophetinnen
stehen in hoher Achtung. Ahnung eines allumfassenden Gött¬
lichen: „Mit den Namen der Götter bezeichnen sie jenes Un¬
sagbare (Geheimnisvolle), das nur mit dem Auge der Andacht
zu sehen ist" (vergl. auch Paulus ad Rom. 1). Unverkennbar
\)i die Ahnung der Geistigkeit des Göttlichen, der Verzicht auf
unbedingte Priestervermittelung und die Tempel, die Hoffnung auf
ein Jenseits und auf die Erneuerung der Welt, des Volkes; die
sittliche Grundanlage — sogar ihr Begriff der Freiheit ein Schat¬
ten des christlichen — etwas die Annahme des Christentums
diesen Stämmen Erleichterndes. (Prädisposition der
Germanen für das Christentum). Erst die Germanen haben
den christlichen Inhalt völlig erfaßt.
Politische Geographie. Verteilung der Stämme zu (Cäsars,
Strabos und besonders) Tacitus' Zeiten. NB. Die Zusammenfassung
in die Gruppen der Jngävones, Jstävones, Herminones paßt nur sür den
Nordwesten und Westen (vergl. Tacit. Germ. init.).
Nordwesten: Am Meer Batavi (Rheinmündungen), Frisii, Chauki
(zwischen Unter-Weser u. Elbe); im Binnenland Bructeri (in N.W-Westsalen),
Cherusci (Mittel-Weser), Chatti (Ober-Weser- und Quellgebiet). Westen:
Am rechten Rhein: Usipetes (Usipii), Sugambri, Tenchtheri; am linken
Rhein: Ubii. Südwesten: Treviri (Mosel), Tribocci, Bangiones (oberer
Mittel-Rhein). NB. Der eigentliche Ober-Rhein links, von Kelten bewohnt,
rechts von den Sueven (Ariovist), dann (um Christi Geburt) von Kelten
besetzt. Agri decumates der Römer.
Mittleres Deutschland: Der erste Völkerbund der ©uetii:2)
1) Man denke an deutsche Naturpoesie und die Thicrsage (Reineke
Fuchs — bereits von den Franken nach Gallien mitgebracht, daher das
französische renard — Fuchs). ,
2) — Suiones ober Sueones? Schweden? Sie sollen aus Skandi¬
navien gekommen sein.