Object: [Teil 7, [Schülerband]] (Teil 7, [Schülerband])

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dem er Thaten ausrichtet und Siege davon trägt; Goethe aber vermag der 
schon entsandten Fülle seiner Redemacht aus ungeahntem Hinterhalte, wie es 
ihm beliebt, nachrücken zu lassen. Man könnte sagen, Schiller schreibe mit 
dem Griffet in Wachs, Goethe halte in seinen Fingern einen Bleistift zu 
leichten, kühnschweifenden Zügen. An Schiller klebten in seiner ersten Zeit 
auch noch einzelne schwäbische Provinzialismen, die unerlaubt im reinen 
Hochdeutsch sind, bei Goethe ist dergleichen nie sichtbar, er schaltet in der 
Schriftsprache königlich. Seine Prosa wird zum mustergültigen Kanon und 
bleibt selbst im kanzleimäßigen Hofstil, den er in alten Tagen allzuoft 
anwendet, gefügig und geschmeidig; seine Poesie giebt bei jedem Schritt 
überall die reinste Ausbeute; für die Bearbeitung des deutschen Wortschatzes 
ist es gar nicht zu sagen, wieviel aus ihm allenthalben geschöpft oder gewonnen 
werden könne oder müsse. 
Eben darin, daß Schiller in etwas engerem Kreise der Sprache sich 
bewegt, liegt doch ein stärkerer Einfluß auf das Volk mitbegründet; denn 
seine Rede weiß alles, was er sagen will, zierlich, ja prachtvoll auszudrücken 
und wird genau verstanden. Von Goethe bekommt man auch einige freilich 
echte, grunddeutsche, aber vorher unvernommene Wörter, die der Menge noch 
nicht geläuffg waren, zu hören, was seinem Stil etwas Vornehmes verleiht. 
Schiller hielt in der Sprache völlig und glänzend haus, er wußte 
lauteren Saft aus ihr zu ziehen. Es sind aber noch andere Gründe, 
weshalb er den Leuten zusagt, er versteht sie zu sich zu erhebeu, während 
Goethe sich auch zu ihnen herablassen kann; bei Schiller, dem auf seiner 
Höhe thronenden, glauben sie sich empor gerückt. Diesem Dichter blieb das 
Altertum unserer Sprache und Poesie mit allen jetzt verlorenen Vorzügen 
fremd, wie das bekannte -von ihm über die Minnesänger gefällte grundlose 
Urteil darlegt; er hat sich nntadelhast bloß an der heutigen Schriftsprache 
groß erzogen, deren Macht er so bedeutend steigerte. Seine Lieder halten 
durchaus den Stil der gebildeten Gegenwart und stehen ans deren Gipfel; 
sie bieten, was dem Volk gefällt, dem gleichfalls die alte Weise der Ver¬ 
gangenheit fremd geworden ist, und das nur in den jetzigen Standpunkt 
vorschreiten und sich darin einweihen lassen will. Ein lebhaftes Beispiel kann 
das berühmte Reiterlied in Wallensteins Lager abgeben, an dessen Stelle 
ihm Goethe ein anderes, mehr int ehemaligen Volkston gedichtetes entwarf; 
mit richtigem Takt Hielt aber Schiller das seinige, dem Ton seiner Dichtung 
angemessene, fest. Die Menge, auf die ein schönes Gedicht einwirkt, will es 
gerade mit allen neuen Vorteilen genießen und ist den alten zu entsagen 
bereit. Schiller ist und bleibt hauptsächlich auch darum populärer, weil seine 
Schauspiele dramatisch mehr ergreifen und ans der Bühne öffentlich wirken,
	        
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