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Erste Abteilung.
Ali Beg besah alle Tugenden, die sich nur zusammen vereinigen
lassen: Unsträflichkeit in seinen Sitten; Treue und Klugheit in seinem
Amte; Freigebigkeit und Großmut gegen die Fremden; Gefälligkeit
gegen alle, die ihn um etwas baten, und, ob er gleich der Liebling
des Königs war, die bescheidenste Demut. Was ihn aber am meisten
unter den persischen Hofleuten auszeichnete, war feine Uneigennützig¬
keit; denn nie lieh er sich seine Dienste bezahlen; seine guten Tateir
hatten die reinste Quelle, das Verlangen, den Menschen nützlich zu
werden. Bei allen diesen Tugenden entging er jedoch den Verleum¬
dungen der Höflinge nicht, die seine Erhebung mit heimlichem Neide
ansahen. Diese legten ihm allerlei Fallen und suchten ihn bei dem
Könige verdächtig zu machen. Aber Schah Abbas war ein Fürst von
seltenen Eigenschaften; argwöhnischer Verdacht war für seine große
Seele zu klein, und Ali Beg blieb in Ansehen und Ruhe, solange sein
großmütiger Beschützer lebte.
Zum Unglück starb dieser große König, und Schah Sefi, der ihm
folgte, schien die Wehklage der Völker zu rechtfertigen: daß nämlich
gute Fürsten wie andre Menschen sterben müssen. Er war das völlige
Widerspiel feines Vorgängers, voll Mißtrauen, Grausamkeit und
Geiz; Blutvergießen schien ihn zu erquicken wie den Durstigen ein
Trunk Wassers. Einen solchen Oberherrn hatten Alis Feinde er¬
wartet, und ihr verborgener Neid wurde sogleich wieder sichtbar.
Sie brachten täglich Verleumdungen gegen den Schatzmeister an,
auf die der König anfangs nicht achtete, bis eine jenen erwünschte
Begebenheit diese Anklagen zu rechtfertigen schien.
Der König nämlich verlangte einen kostbaren Säbel zu seheu,
den Schah Abbas vom türkischen Kaiser zum Geschenk bekommen
hatte, und dessen einige Hofleute gedachten. Der Säbel war nicht
zu finden, ob er gleich in dem nachgelassenen Verzeichnisse des großen
Abbas eingetragen war, und so fiel Schah Sefis Verdacht auf den
Schatzmeister, daß dieser ihn veruntreut habe. Dies war, was seine
Feinde wünschten; sie verdoppelten ihre Beschuldigungen und schil¬
derten ihn als den ärgsten Betrüger. „Er hat viele Häuser zur Be¬
wirtung der Fremden gebaut, sagten sie, und andre öffentliche Ge¬
bäude mit großer: Kosten aufführen lassen. Er kam als ein nackter
Knabe an den Hof, und doch besitzt er jetzt unermeßliche Reichtümer.
Woher könnte er alle die Kostbarkeiten, womit sein Haus angefüllt
ist, haben, wenn er den königlichen Schah nicht bestöhle?" Ali Beg
trat eben zum Könige hinein, als ihn seine Feinde so verklagter!,
und mit zornigen Blicken sprach der König: „Ali Beg, deine Untreue