Zerstörung Jerusalems, 70 n. Chr.
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den Donaulegionen dem Vitellins entgegen. Am Po trafen sich
die übermüthigen und zuchtlos gewordenen Heere, deren keines
von seinem Kaiser persönlich geführt wurde; die Feldherren des
Otho wurden von denen des Vitellins beiBedriacum geschlagen.
Otho, obwohl noch nicht aller Hilfsmittel beraubt, tödtete sich
selbst, um der Welt den Frieden zu geben1) (reg. vom Jan. 69—
Apr. 69). Raubend und mordend zog des Vitellins Heer auf Rom;
Vitellins selbst2) verprasste in fauler Schlemmerei binnen weniger
Monate den Staatsschatz von 900 Mil. Sest. (150 Mil. Mark).
Unterdessen aber waren auch die Legionen des Orients in Be¬
wegung gerathen; an ihre Spitze stellten sie den Flavins Ves-
pasianus, der ebendie empörten Juden bekämpfte. Ihnen fielen
die Donaulegionen zu, ein verwegener Anführer, Antonius Primus,
riss sie zum Einfall in Italien fort und schlug die Legionen des
Vitellins bei Cr emo na3). Nun rückte er auf Rom und nahm die
Stadt, wo das Capitol niederbrannte und Vitellins von den Soldaten
getödtet wurde (Dec. 69)4). Allmählich kamen die Feldherren
nach, endlich von Aegypten, wo er längere Zeit verweilt, auch
Vespasianus, um die Krone zu empfangen.
§ 187.
Die Zerstörung Jerusalems, 70 n. Chr.
L losephus, de bell. iud. I—VII. Archaeol. Ind. XX, II. Tacitus, hist. V, 1—13
TT ä"o LXVI, 4-7. Orosius VII, 9. Sulpicius Severns, chron. II, 30.
H- Peter IH, 2, 8 "3—88. MerivaleVI. Grätz, Gesch. d. Juden B. III. Hansrath,
Neutestamentliche Zeitgeschichte.
Fast um dieselbe Zeit, als in Rom das Haus Caesars fiel, er¬
folgte im Orient die Katastrophe des jüdischen Volkes. Seit Pom-
peius Jerusalem erobert (§ 167), dienten die Juden den Römern,
anfangs noch unter eignen Königen aus dem makkabäischen oder
hasmonäischen Hause. Das zähe und bewegliche Volk, kosmopoli¬
tisch und fanatisch-national zugleich, hatte sich über das ganze
römische Reich verbreitet. In jeder wichtign Stadt, namentlich des
Orients, aber auch in Rom selber, sassen ihre Gemeinden. Der
Jude trieb seinen Weltverkehr trotz der römischen Verachtung5)
und des allgemeinen Volkshasses6), der ihn traf. — Daheim aber
hatte schon unter Hyrcanus der schlaue Idumäer Antipatros7)
einen Einfluss gewonnen, der seinen Sohn Herodes d. Gr. zum
Throne führte, 40—4 v. Chr. Dieser deckte mit dem Glanz seiner
Regierung die Kriecherei gegen Rom und die blutigen Thaten,
durch die er das alte Königsgeschlecht ausrottete. Seine Söhne