Full text: Das Alterthum (Theil 1)

Fall der alten Welt. Schlufsbetrachtung. 
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tin hatte nur Tempel, in denen unsittliche Culte gepflegt wurden, 
niederreiten, wenige andere schliefsen lassen. Seine Söhne schon 
waren verfolgungssüchtiger aufgetreten; Theodosius endlich ver¬ 
fügte öffentlich, dass jedes Opfer als hochverräterisch zu unter¬ 
bleiben habe, jeder heidnische Cult bei Todesstrafe zu unterlassen 
sei1). Schon zu Constantins Zeit waren die Götterbilder, nament¬ 
lich die von kostbarem Material, zerstört oder verstümmelt worden; 
jetzt bei der eingetretenen Verwilderung, zerbrachen die Haufen 
des Christenpöbels, was von Denkmälern des Alterthums vorhanden 
war. Von den Gebirgen und aus den Wüsten strömten schaaren- 
weis die Mönche herbei, gleichsam die Miliz der neuen Religion, 
und, von fanatischen Bischöfen geführt, stürzten sie die herrlichen 
Säulen alter Tempel, die oft jeder Anstrengung der Verwüstung 
zu trotzen schienen2). So sank das Serapeion in Alexandreia3), 
bei dessen Zerstörung das Volk den Rückfall der Welt in das 
Chaos erwartete. Aus dem Senate zu Rom wurde auf Befehl des 
Gratian und Valentinian II der Altar der Victoria, an dem seit 
uralten Zeiten die Senatoren ihren Amtseid leisteten, entfernt, trotz 
der beredten Fürbitten des Symmachus. Einzelne Tempel wurden 
als christliche Kirchen gerettet; andere bezeugen noch jetzt in 
Ruinen ihre alte Pracht. Am längsten blieb das Heidenthum theils 
in der Aristokratie der Geburt und der Bildung, und gerade an 
den Stätten seiner einstigen höchsten Blüte, in Rom, Athen, Ale¬ 
xandreia ; theils in den dunklen Kreisen des Landvolkes, wo es 
als Bauernreligion (paganismus)4) der Verspottung verfiel. — Was 
dann die christliche Zerstörung übergelassen, das räumte die plün¬ 
dernde Hand der einbrechenden Gothen, Vandalen und anderer 
Barbaren völlig auf. — Das Christenthum hatte wohl viele tausend 
Einzelne, aber nicht die griechisch-römische Welt im Ganzen zu 
retten vermocht; im Gegentheil hatte diese nur Verweltlichung und 
Laster, Ehrgeiz und Spitzfindigkeiten aller Art selbst in die ur¬ 
sprüngliche , edle Einfachheit der Kirche hinübergetragen. Es 
waren die verachteten Barbarenvölker, die nun mit neuer Kraft 
und Innigkeit das Evangelium ergriffen; und aus der Verbindung 
8 christlichen mit dem germanischen Lebenselement ent¬ 
springt die neue Weltgestalt des Mittelalters. 
§ 206. 
Schlufsbetrachtung. 
O- ^°JunS,187^ alte Welt in ihrem Bildungsgänge als Grundlage der Cultur der Gegenwart, 
Der Gesichtskreis der alten Geschichte ist der der Endlich¬ 
keit dieser Welt; ihre Aufgabe, Alles das zu schaffen, was inner- 
, „ 2 ZoS' IXv59' 2) Libanius vnio TWV ieoäv, ed. Beiske. 3) Socr. Y 
16 Sozom. VH 15. Rufinus, hist. eccl. II, 22-30. 4) Das Wort kommt im 
Jahre 368 zuerst vor. 
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