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mäne Don Quixote die phantastische Ausartung des spanischen Ritter-
Ihums jener Zeit. Der Portugiese Camoens (f 1569) dichtete als Ver¬
bannter auf der Insel Macao seine Lusiade, worin er die Heldenthaten
'der Portugiesen (Lusitanier) unter Vasco da Gama und ihre Eroberungen
in Ostindien besingt.
e) In England begann die Blüte der Dichtkunst unter der glanz¬
vollen Regierung Elisabeths. William Shakespeare aus Stratfort
am Avon (1564—161Ä) schuf dem Drama ganz neue Bahnen und zeigte
sich als den vollendetsten Meister in psychologisch richtiger Entwickelung
dei- Charaktere sowie in der Behandlung des Humors und der Anwendung
Äller bühnengerechten Mittel zur Belebung der Handlung. Seine Dramen
Hamlet, Romeo und Julie, König Lear, Somtaernachtstraum, Othello,
Heinrich IV., Richard III. sind Muster für die Dichtung aller folgenden
Zeiten geworden. John Mil ton (t 1674), ein Zeitgenosse und feuriger
Anhänger Oliver Cromtrells und eine Zeitlang dessen Geheimschreiber,
stellte in seinem Epos „das verlorene Paradies“ den glücklichen
Urznstand und den Sündenfall der ersten Menschen dar.
d) Deutschland. Während hier der Meistergesang in seiner
beschränkten Weise immer mehr verflachte, zeigte das Volkslied die
üppige Fülle und tiefe Innigkeit des deutschen Gemüthslebens. Die
unruhige Zeit der Reformation Und die vielen Gegensätze des damaligen
Lebens spiegeln sich in Hans Sachs’(t 1576) Fastnachtspielen und in
-Johann Fischarts (t 1589) Satiren ab. Das religiöse Lied wurde durch
Luther, Paul Fleming und den Jesuiten Friedrich von Spee ge¬
pflegt. Grössere Formvollendung und die Beobachtung einer regelmässigen
Verskunst strebte Martin Opitz, der Gründer der ersten schlesi¬
schen Dichterschule in seiner deutschen Poeterei (1624) an.
Aber die traurige Zeit des dreissigjährigen Krieges prägte der zweiten
seh lesi sehen Schule den Stempel der Entartung und der geistigen
Armuth auf. Doch regten die Widersprüche des tief gesunkenen Zeitalters
Friedrich von Logau zum Epigramm und Samuel Greifenson
und Moscherosch zu den Sittenromanen Simplicissimus und Gesichte
Philanders von Sittewald an.
6. Die Künste. Unter ihnen fanden besonders
a) die Baukunst in Italien eifrige Pflege und Aufmunterung.
Bram ante begann den Neubau der Peterskirche; aber Michel Angelo
(t 1563), gleich ausgezeichnet als Architect wie als Maler und Bildhauer,
war der eigentliche Schöpfer dieses kunstvollen Riesenbaues.
b) Die Malerei wurde gleichfalls an den glänzenden Fürstetihöfen
Italiens besonders gepflegt und entwickelte sich in der lombardischen,
florentinischen, römischen und venetiani sehen Schule zu einer
Höhe der Auffassung und Harmonie der Darstellung, welche sie später
nicht wieder erreicht hat. Lionardo da Vinci aus Florenz (t 1519),
von Ludovico Sforza an den Hof nach Mailand berufen, wurde der Grün¬
der der lombardischen Schule. Sein berühmtes Abendmal ist