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leuten zu und betrat mit seiner Untersuchung über den Menschen (Essay
of man) die Bahn der didaktischen Dichtung, auf der er viele Nachfolger
hatte. Thomsons (f 1748) Jahreszeiten wurden ein vielfach nachge¬
ahmtes Muster für die beschreibende Dichtkunst. Young’s Nachtgedanken,
ein lyrisch-didaktisches Gedicht voll herrlicher Gedanken, aber von schwer-
müthiger Eintönigkeit, wirkten gewaltig auf die empfindsame Stimmung
der Zeit. Einen besseren Ton schlug der schottische Volksdichter Burns
an, welcher edle Sprache mit kräftigem Gefühl und gesundem Humor
verband.
b) F rankrei chjs Literatur ist §. 48, 1 geschildert.
c) Deutschland. Hier handhabte nach dem Abblühen der schle¬
sischen Dichterschulen der Schweizer Albrecht von Haller, in seinem
beschreibenden Gedichte „die Alpen“ die Sprache mit Kraft und Gewandt¬
heit. In seinem Geiste dichtete auch sein Landsmann Bodmer. Dieser
kämpfte gegen die von dem Leipziger Professor Gottsched vertretene
Richtung, welche den Werth dichterischer Erzeugnisse nur in die richtige
Beobachtung der Kunstregeln setzte, mit Erfolg an. Der unerquickliche
Streit zwischen den Bodmerianern und Gottschedianern dauerte fort, bis
mehrere jüngere Dichter in den „Bremer Beiträgen“ eine selbständige
Stellung einnahmen. Der eigentliche Bannerträger der neuen deutschen
Dichtung wurde der begeisterte und kraftvolle Friedr. Gottlieb Klop-
stock (1724 — 1803), welcher in seinem epischen Gedicht Messias
das göttliche Erlösungswerk in erhabenem Dichterschwunge besang. Seine
Oden an Ebert, an Giseke, Frühlingsfeier, die frühen Gräber, Sommer¬
nacht, der Zürchersee u. a. athmen glühende Vaterlandsliebe und Begei¬
sterung für die höchsten Ideen und Empfindungen des Menschen. Einen
Gegensatz zu dem schwungvollenKlopstock bildet der verstandesklare, nach
bewusster Kunstregel schaffende Gotth. Ephraim Lessing (1729—1781)
welcher in seinem „Laokoon“ und in seiner „Hamburger Dramaturgie,“
die Theorie der Dichtkunst und insbesondere des Dramas entwickelte
und Deutschland von der sklavischen Nachahmung des französischen
Geschmacks befreite. Seine Dramen Minna von Barnhelm, Emilia
Galotti, Nathan der Weise, haben eine enge Beziehung zu den Bestrebun¬
gen und den geistigen Strömungen der Zeit; im „Nathan“ wandte er zuerst
den fünffüssigen Jambus statt des bis dahin üblichen Alexandriners an.
Während Lessing seine Hauptkraft daran setzte, den französischen Ge¬
schmack zu brechen, wurde Martin Wieland (1733—1813), anfangs ein
Anhänger der religiös empfindsamen Dichtung Bodmers, ganz ein Kind
des lüsternen und üppigen französischen Zeitgeistes, den er in seinem
romantischen Epos Oberon und in seinen Romanen Agathen, die Abde-
riten, Peregrinus Proteus, u. a. wiederspiegelt. Daher wandten sich
denn auch trotz seiner gefälligen Sprache die edleren und ernsteren
Geister von ihm ab, und eine begeisterte Schaar junger Dichter, wie
Friedrich Leopold von Stolberg, Joh. Heinrich Voss, Hölty, denen
eich später auch der kernige Balladendichter Gottfr. Aug. Bürger und