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128. Bescheidene Bitte an die Menschen.
Ebeling
1. Bitte, sstillet unsre Not, bitte, bitte, gebt uns Brot! Alle
Dacher, Hecken, Wälder, alle Wege, alle Felder, wo ein Putter-
körnchen steckt, alles ist mit Schnee bedeckt. Alle Nahrung ist ver-
schuttet, und ein hungernd Völkchen bittet: Bitte, bitte, gebt uns
Brot, bitte, sstillet unsre Not!
2. Bitte, sstillet unsre Not, bitte, bitte, gebt uns Brot! Kehrt
der schöne Frühling wieder, singen wir euch frohe Lieder, hüpfen
frisch von Asst zu Ast, picken ohne Ruh und Rast Raupen, Frucht-
und Blutenfresser, daß sich füllen Scheun' und Fässer. Bitte, bitte,
gebt uns Brot, bitte, sstillet unsre Not!
Im Namen des Hilfsvereins für beflederte Sänger:
Herr Spatz.
129. Der Sperling im Winter.
Frau Fink.
Johannes Trojan.
1. Wovon lebt der Sperling im Winter? Er geht nicht im
Herbst in süudliche Länder wie andere Vögel, sondern bleibt da—
heim, wenn auch der Winter noch so arg ist. Er sammelt nicht
Vorräte, sondern wenn das Korn eingefahren und auf den Stoppeln
nichts zu finden ist, dann hat er nichts. Es gibt keinen so armen
Mann im ganzen Lande wie den Sperling, wenn der erste Schnee
draußen gefallen ist. In seiner Wohnung ist nichts zu finden, und
verdienen kann er sich auch nichts. Er kann weder Holz hacken
noch Kartoffeln schälen, auch nicht fegen und kehren oder Wasser
tragen. Nicht einmal singen kann er.
2. Doch findet er den ganzen Winter hindurch sein Brot. Auf
dem Dorfe geht er zu den Bauern und sieht zu, wie gedroschen
wird. Dabei fällt manches Körnlein für ihn ab. In der Stadt
ladet er sich bei armen wie bei reichen Leuten zu Gaste. Wo
Pferde ihren Hafer bekommen, isst er da und sagt: „lch darf doch
mitessen? Das wenige, was ich mir nehme, macht ja nichts aus.“
Und wo einem Huhn das Futter gestreut wird, fliegt er auch herbei
und spricht: „Du erlaubst doch? leh werde es dir wiedergeben
im Sommer, wenn die Erbsen reif sind.“ Uberall ist er da, wo es
etwas zu picken gibt.