Full text: Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden (Teil 4)

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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519—1648. 
Besitz; die der Oder, Elbe und Weser hatten die Schweden mit 
Beschlag belegt, die des Rheines war in der Hand der Niederländer, 
die Weichselmündung gehörte den Polen. Den Besitz des Sundes, 
der Pforte zur Ostsee, nutzten die Dänen zur Erhebung des Sund¬ 
zolles aus. Der Hansabund war auf die drei Städte Hamburg, 
Bremen und Lübeck beschränkt; die beiden ersteren gewannen von 
jetzt ab als wichtige Einfuhrplätze mehr und mehr einen Vorsprung 
vor Lübeck, dessen Ostseehandel ja zum größten Teil in die Hand der 
Holländer und Engländer übergegangen war. In weiten Gebieten 
des Inneren aber war der einst so lebhafte Verkehr fast erstorben. 
Neben den Hansastädten waren fast nur Frankfurt am Main, Leipzig 
und Breslau noch wichtige Verkehrsplätze. In einer Zeit, wo Holland, 
England und Frankreich sich zu Handels - und Kolonialvölkern ersten 
Ranges entwickelten, wo sie die ertragreichsten Gebiete der fremden 
Erdteile mit Beschlag belegten und durch eine kluge Handelspolitik 
ihre Ausfuhr zu möglichster Höhe zu steigern wußten, sah sich das 
vormals so see- und handelsmächtige Deutschland nicht nur von dem 
Wettbewerb um überseeische Gebiete ausgeschlossen, sondern mußte 
mühsam um die ersten Anfänge des Wohlstandes ringen. 
Sittliche und Aber der große Krieg hat nicht nur einen tiefen Niedergang 
^hältnisie^ der deutschen Volkswirtschaft herbeigeführt; in seinem Gefolge haben 
sich auch die sittlichen Zustände und Anschauungen vielfach ver¬ 
schlechtert. Die bäuerliche Bevölkerung war im Laufe der Kriegs¬ 
jahre, in denen bei der Unsicherheit aller Verhältnisse sich gar mancher 
gewöhnt hatte das Feuerrohr anstatt des Pfluges zu führen, vielfach 
zu grober Zuchtlosigkeit verwildert; als dann die Not des Daseins 
und der Druck der Gutsherren und des Staates zur Wiederaufnahme 
der Arbeit zwang, wurde ein scheues, gedrücktes, mißtrauisches Wesen 
das Kennzeichen des deutschen Bauernstandes, der sich von den höheren 
Ständen verachtet, von jeder Bildung ausgeschlossen, zu irgend welcher 
Besserung seiner Lage unfähig sah. Auch das Bürgertum hatte 
von dem Stolz und dem Freimut des Reformationszeitalters viel 
verloren; in kleinen und engen Verhältnissen, einfach und still, selten 
berührt von den Ereignissen der großen Politik, ohne Schwung 
floß das Leben im Bürgerhause dahin; von dem nationalen Sinn 
früherer Zeiten waren nur geringe Spuren vorhanden; die kleinlichen 
Verhältnisse des Privatlebens nahmen das ganze Interesse in An¬ 
spruch. Den Reichen und Vornehmen gegenüber war man demütig 
und unterwürfig, während man zugleich durch ein übertrieben förm¬ 
liches und geziertes Wesen ihnen nachzuahmen suchte. Denn schroffe 
Scheidung der Stände und damit verbunden Pflege des Standes¬ 
hochmuts und der Standesetikette gehören als wesentliche Bestand¬ 
teile zum Gepräge der Zeit. Auch der Adel machte jetzt eine wesentliche
	        
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