154 Das Zeitalter d. Zerstörung d. alten Reichs u. d. Entstehung d. neue» deutschen Kaisertums.
Haltung
der deutschen
Staaten.
Napoleon III.
Die Streit¬
kräfte.
Moltke
1800 — 1891.
So begann der Krieg, die notwendige Auseinandersetzung
zwischen zwei Brudervölkern. Die deutschen Mittelstaaten Bayern,
Württemberg, Sachsen, Hannover, Baden — trotz der nationalen
Gesinnung des Großherzogs Friedrich, des Schwiegersohnes König
Wilhelms —, Kurhessen und Hessen-Darmstadt, Nassau, dazu Mei¬
ningen und Reuß ä. L. standen auf der Seite Österreichs, die übrigen
auf der Preußens. Kaiser Napoleon beobachtete zunächst Neutra¬
lität; er rechnete bestimmt auf den Sieg der Österreicher und gedachte
sich seine Friedensvermittelung durch Abtretung deutschen Gebiets
bezahlen zu lassen.
Österreich stellte den kleineren Teil seiner Armee, außer den
Besatzungstruppen nur 82000 Mann, unter Erzherzog Albrecht,
dem Sohne des Erzherzogs Karl, den Italienern entgegen; der größere
Teil, mit den dazu stoßenden Sachsen über 260000 Mann, unter
dem Generalfeldzeugmeister Benedek war für den preußischen Krieg
bestimmt. Eine etwa ebenso starke preußische Truppenmacht sam¬
melte sich an der österreichischen und sächsischen Grenze: die V/2 Armee¬
corps umfassende Elbarmee unter dem General Herwarth von
Bittenfeld an der Elbe, die aus drei Armeecorps bestehende erste
Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl in der Lausitz, die
vier Armeecorps der zweiten (schlesischen) Armee unter dem Kron¬
prinzen Friedrich Wilhelm, dem der General von Blumenthal
als Generalstabschef zur Seite stand, in der Gegend von Neiße.
Gegen die 80000 Mann starken Truppen der süddeutschen Mittel¬
staaten und die Hannoveraner konnten nur im ganzen etwa 50 000
Mann ausgeboten werden. Der preußische Feldzugsplan war das
Werk des Generals von Moltke, den der König, als er 1857 die
Stellvertretung für seinen Bruder übernahm, zum Chef des General¬
stabes der Armee ernannt hatte. Hellmuth von Moltke war am
26. Oktober 1800 zu Parchim in Mecklenburg-Schwerin geboren,
trat zuerst in dänische Dienste, dann aber 1822 als Leutnant
in die preußische Armee. Die Jahre 1835 —1839 verbrachte er
in der Türkei, nahm an der Neubildung des türkischen Heeres her¬
vorragenden Anteil und war bei der Schlacht von Nisib, die gegen
seinen Rat geschlagen wurde, anwesend (f. § 110); er hat über jene
Jahre in den „Briefen über Zustände und Begebenheiten in der
Türkei" berichtet, die ihn ebenso als Geographen wie als Schrift¬
steller berühmt machten. Später verweilte er eine Zeit lang als
Adjutant des Prinzen Heinrich in Rom und begleitete den Prinzen
Friedrich Wilhelm an mehrere europäische Höfe. Jetzt erlebte er seine
große Zeit: ein großer, ebenso umsichtiger wie entschlossener, das
Größte mit dem Kleinsten kombinierender Stratege, der sich zum
Heile Deutschlands des unbedingten Vertrauens seines königlichen