Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Teil 5)

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194 Das Zeitalter d. Zerstörung d. alten Reichs u. d. Entstehung d. neuen deutschen Kaisertums. 
Bürgerlichen Gesetzbuches, wodurch die Rechtseinheit des deutschen 
Volkes vollendet wurde (s. § 145). Wie der Kaiser allen Zweigen 
der nationalen Wohlfahrt die lebhafteste Teilnahme schenkt und sie 
nach Möglichkeit zu fördern bestrebt ist, so bringt er den Fragen 
des geistigen Lebens, den Fortschritten der Wissenschaft, dem 
Schulwesen das regste Interesse entgegen; er ist ein warmer Freund 
der Kunst, wie es das von Begas geschaffene Denkmal Kaiser Wil¬ 
helms I., die Standbilder der brandenburgischen Fürsten in der 
Siegesallee und der neue Dom zu Berlin bezeugen. 
Das deutsche Reich blieb auch ferner ein Hort des Friedens. 
Der Dreibund mit Österreich und Italien wurde erneuert. Die Be¬ 
ziehungen zu Rußland, die sich in den letzten Lebensjahren Alexan¬ 
ders III. verschlechtert hatten, besserten sich wieder seit der Thron¬ 
besteigung Kaiser Nikolaus' II. Doch blieb der Charakter der 
deutschen Politik nicht unverändert. Mit großer Thatkraft strebt der 
Kaiser einem neuen Ziele zu: Deutschland, das bisher im wesent¬ 
lichen europäische Politik getrieben hat, zur Weltmacht zu erheben. 
Daher hat er von Beginn seiner Regierung an nicht nur der Fort¬ 
bildung der Armee seine unablässige Fürsorge zugewandt (s. § 145); 
sondern im Hinblick auf die große Zahl unsrer Landsleute, die im 
Auslande geschäftlich thätig sind, auf das starke Wachstum unsrer 
in überseeischen Staaten angelegten Kapitalien, auf die steigende 
Bedeutung unsers Exports, der sich zu etwa 70 °/0 aus dem See¬ 
wege vollzieht (s. § 146), hat er die große Bedeutung unserer See- 
interessen von vornherein anerkannt und sie unablässig gefördert. 
Das von Wilhelm I. begonnene Werk des Nordostseekanals, das im 
Jahre 1895 vollendet wurde, dient in erster Linie dem Zwecke der 
Küstenverteidigung. Durch zwei neue Flottengesetze ist eine wesent¬ 
liche Verstärkung der Marine angeordnet worden, die sich schon des¬ 
halb als nötig erwies, weil andere Seestaaten, außer England auch 
Frankreich, Rußland, die Vereinigten Staaten und Japan, große 
Anstrengungen machten, um ihre Flotte zu vergrößern. 
Gleichzeitig war der Kaiser auf Mehrung unsers Kolonial¬ 
besitzes bedacht. Mit England kam 1890 ein Vertrag zustande, 
der den Zweck hatte, gewisse Interessengegensätze aus der Welt zu 
schaffen: Sansibar wurde den Engländern überlassen, das dafür 
Helgoland an Deutschland abtrat. Als 1897 einige deutsche 
Missionare in Ehina ermordet wurden, besetzten deutsche Marine¬ 
truppen den Ort Tsingtau an der Bucht von Kiautschou, der 
darauf von der chinesischen Regierung in Form einer Pachtung an 
uns abgetreten wurde. So wurde ein Stützpunkt der deutschen Macht 
in Ostasien geschaffen. Dies erschien um so wichtiger, als das durch 
den unglücklichen Land- und Seekrieg mit Japan auf das stärkste
	        
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