Vorgeschichte der Revolution.
75
ernsten Pflichten ihrer Stellung ins Auge zu fassen; auch sie reifte
erst im Leiden.
Unter dem Ministerium Turgots, eines überzeugten Be- Reform¬
kenners der physiokratischen Schule (s. § 64), wurden wesentliche Re- ber?u^c'
formen begonnen; aber er wurde bald gestürzt, nicht ohne Zuthun
der Königin. Sein Nachfolger war Necker, ein protestantischer Bankier
aus Genf, der zunächst durch Anleihen zu helfen suchte und, als
er auf Reformen drang, sein Amt ebenfalls aufgeben mußte. Der
neue Minister Calonne erfreute sich solange der Gunst des Hofes,
als er dessen maßlose Verschwendung unterstützte; als er Reformen
vorschlug, setzten seine Gegner seine Entlassung durch. Die von ihm
berufene Versammlung von Notabeln, d. h. von königlichen Ver- 1787.
trauenspersonen aus allen drei Ständen, ging ohne Erfolg aus¬
einander, da die bevorrechteten Stände sich gegen jede Schmälerung
ihrer Vorrechte verwahrten. 1788 wurde zum zweiten Male Necker 178S.
berufen; er sah, um das furchtbar gestiegene Defizit der Staatsfinanzen
zu heilen, kein andres Mittel als die Berufung der General stände, 1789.
die seit 1614 nicht mehr zusammengetreten waren.
Einerseits das Defizit, das zur Berufung der Generalstände Anlässe und
zwang, andrerseits die infolge.einer Reihe schlechter Ernten aus- ^evolutton^
gebrochene Hungersnot, welche die Erbitterung des gedrückten Volkes
zur Empörung steigerte und schon im Winter 1788/89 zu einer
großen Zahl örtlicher Ausstände führte, bildeten den Anlaß zur
Revolution; ihre tieferen Ursachen liegen einerseits in den schlechten
staats- und volkswirtschaftlichen Zuständen, andrerseits in
der Litteratur jener Zeit, der sog. Aufklärungslitteratur.
§ 63. Staats- und Volkswirtschaft; soziale Zustände. Was zu- Schlechte
nächst die Finanzwirtschaft anlangt, so lagen die Gründe für die
ungeheure Schuldenlast des Staates und die stetig wachsende Differenz
zwischen Ausgaben und Einnahmen zunächst in dem Luxus des
königlichen Hofes, der unter Ludwig XV. manchmal ein Viertel der
Staatseinnahmen verschlungen hatte, in der Verschwendung für Hof-
feste, Hofbeamte und Gnadengeschenke. Sie lagen ferner in den
großen, verlustreichen Kriegen. Sie lagen endlich in der Art der
Erhebung der Staatseinkünfte. Diese wurden an Gesellschaften
von Unternehmern verpachtet, was u. a. zur Folge hatte, daß
ein Teil der Einnahmen dem Staate verloren ging, und daß die
Steuern weit unbarmherziger eingetrieben wurden, als es der Staat
gethan hätte.
Diese Art der Finanzwirtschaft wirkte um so drückender, als Schlechte
die Verteilung der öffentlichen Lasten höchst ungerecht war. Verkeilung.
Die direkten Steuern, unter denen die Taille die wichtigste war,